Präsent waren beim WSF allerdings erstaunlich wenig linke Prominente aus arabischen Ländern. Zu den wenigen, die gesichtet wurden, gehörte Hamdeen Sabahi aus Ägypten. Er war bei der Präsidentenwahl 2012 überraschend auf dem dritten Platz gelandet und gilt aktuell als der wichtigste linke Politiker Ägyptens.
Gemäß der Charta des Weltsozialforums sind Parteien und Parteipolitiker allerdings offiziell nicht zugelassen, so dass Sabahi nur informell im Rahmen eines Workshops auftrat. Auch manche prominente Feministinnen aus dem arabischen Raum glänzten durch Abwesenheit.
Forum für Frauen und Genderthemen
Dennoch wurde das WSF faktisch zu einem Forum für Frauen und Genderthemen. Bei der Auftaktversammlung riefen rund 1.000 Frauen zu internationaler Solidarität auf. Besma Halfaoui, die charismatische Witwe des ermordeten linken tunesischen Oppositionspolitikers Chokri Belaid, hielt eine bewegende Rede. Sie scheint bereit, selbst in die Politik zu gehen.
Frauenorganisationen führten sehr viele
Veranstaltungen durch. Es ging um politische Rechte, aber auch um
gleichen Lohn für gleiche Arbeit, Frauenarmut und
Frauenarbeitslosigkeit. Genderbasierte Gewalt und sensible Themen wie
die reproduktiven Rechte von Frauen wurden offen angesprochen, ebenso
wie die Situation von Schwulen und Lesben in der arabischen Welt. Vor
dem WSF in Tunis war die interne Debatte über Entscheidungs- und
Organisationsstrukturen intensiver geworden. Manche fragten, ob die
globalisierungskritische Veranstaltungsreihe mehr als ein Jahrzehnt
nach ihrem Start im brasilianischen Porto Alegre noch sinnvoll sei. Tatsächlich
ist nicht immer klar, ob sie noch eine politisch wirksame Aktionsform
ist oder mehr eine Art "Karneval der Kulturen". Angesichts der globalen
digitalen Vernetzung lässt sich darüber nachdenken, ob es nötig ist,
dass Tausende gut situierte Aktive um die Welt jetten, um ein paar Tage
von Workshop zu Workshop zu hetzen und Transparente in Kameras zu
halten. Graswurzelarbeit wäre vielleicht wertvoller. Diese Fragen
sind nach Tunis so aktuell wie vorher. Doch eines hat sich geändert.
Säkulare und globalisierungskritische Kräfte aus der arabischen Welt
diskutieren jetzt auf Augenhöhe mit und sie brauchen dafür nicht die
Anwesenheit ihrer prominentesten Vertreter.
"Eine
andere Welt ist möglich": Unter diesem Motto fand das Weltsozialforum
zum ersten Mal in einem arabischen Land statt. Nach Angaben der
Veranstalter nahmen mehr als 50.000 Menschen an dem fünftägigen Treffen
teil.