Das deutschsprachige Informationsportal zur weltweiten Sozialforum-Bewegung  
Das deutschsprachige Informationsportal
zur weltweiten Sozialforum-Bewegung
www.weltsozialforum.org

 
 

Berichte

Postkapitalistische Alternative

Die Teilnehmer des Weltsozialforums in Porto Alegre behaupten "eine andere Welt ist möglich"

(von Frei Betto, ALAI)

Die sich vom 31. Januar bis zum 5. Februar 2002 versammelnden Teilnehmer des Weltsozialforums in Porto Alegre behaupten "eine andere Welt ist möglich". Warum eine andere wenn wir diese hier haben - kapitalistisch, neoliberal und globalkolonalisierend ? Sie ist die Bestmögliche. Ausgenommen für die unter der Armutsgrenze lebenden Zweidrittel der Bevölkerung, laut Weltbank.

Unseren Planeten bevölkern heute 6 100 000 000 (6,1 Mrd.) Menschen. Nur 2,1 Milliarden geniesen die Weihen des Lebens dank der geschaffenen Konditionen. Die anderen vier Milliarden leiden: 2,8 Mrd. Leben unter der Armutsgrenze, was bedeutet, dass sie von einem monatlichen Einkommen unter 60 US$ leben, und 1,2 Mrd. von uns leben gar unter der Elendsgrenze, was besagt sie gelangen nicht einmal zu 30 US$ im Monat.

Die weltwirtschaftliche Entwicklung verlangsamt sich. Laut Weltwährungsfond wird sie dieses Jahr nicht mehr als 2,4 % betragen. In diesem Meer der Armut ist die einzige Illusion, auf eine Tabelle der neoliberalen Erretung zu warten, die von den Inseln des Überflusses herüberkommt. Die Mauern der Konzentrationslager des Einkommens sind zu hoch, um den Einlass für die Menge der Ausgeschlossenen zu gewähren. Aber sie sind zu gebrechlich, um dem Wagnis einer Implosion standhalten zu können. Es ist von arger Not eine Alternative zum aktuellen ökonomischen Modell zu suchen, noch bevor die Verzweiflung weiterem Terrorismus Nahrung bietet. Diese Alternative schreit unabwendbar nach einem Wandel der Werte, und nicht nur nach der Abänderung des ökonomischen Mechanismus.

Es mutet schon sehr merkwürdig an, wie die Ökonomie - die sich wohlgemerkt als wissenschaftlich und weltlich bezeichnet - religiöse Kategorien verwendet, wie die "unsichtbare Hand" des Adam Smiths, das vielbeschriebene Gesetz des Marktes menschliche Gefühlsregungen aufzuweisen scheint, desweiteren Anmerkungen der Überlegenden, die bevor es derart kreir(r)t wurde, es als "sich gut ausarbeitend" oder "sich zurückziehend" darstellten. Dem kann aus neoliberaler Sicht das dogmatische Axiom hinzugefügt werden: Ausserhalb des Marktes gibt es keine Errettung.

Vielleicht sollten die Einkaufszentren der besessenen Massen zu religiösen Fetischen erhoben werden, ihre architektonischen Züge denen von stilvollen Kathedralen gleichkommen, die sodann nicht zu betreten seien ohne sich in die Robe der Sonntagsmesse gehüllt zu haben, um die weiten Kreuzgänge im postmodernen gregorianischen Stil abzuschreiten und in den Kapellen der ehrwürdigen Konsumobjekte zu huldigen, wie Ministranten der Priesterinen der Schönheit. Es fühlt sich gut in dem Himmel, in dem selten gekauft werden kann; in dem Fegefeuer, welches in Raten oder besonders gearteter Schecks bezahlt wird; in der Hölle, die sich vom Markt ausgeschlossen weiss ?

Ja, die Welt dreht sich auf der Töpferscheibe der Wirtschaft und die Wirtschaft dreht die Scheibe des Marktes, was bedeutet, dass versehen mit götzendienerischen Charakteren, diese über den Rechten der Pesonen und den Ressourcen der Erde steht. Es präsentiert sich derartig absolut, bestimmt das Leben und den Tod der Humanität. Letztendlich bleiben Ideale des Lebens und menschlichen Glücks gegenüber der Anhäufung privater Besitztümer untergeordnet. Es ist unwichtig, was der Reichtum einiger weniger für die Armut vieler bedeutet. Das Paradigma des Marktes sind die Zahlen der Bankkonten und nicht die Würde des Menschen.

Es gibt also eine Umwandlung der Werte. Die Produkte werden zu Subjekten und die Personen zu Objekten. Es ist das Produkt, das dem Besitzer Wert gibt. Daher mangelt es Besitzlosen an Wert und sie werden zu Ausgeschlossenen des ökonomischen Spiels, sie sind die Magnetisierten, den Überfluss der Priviligierten verehrend.

Die Zurschaustellung der Millionäre funktioniert ikonengleich, indem sie den vom Bankett ausgeschlossenen zumindest den scheinbaren Geschmack ahnen lässt; psychologische Brotkrümel die vom Tische der Wohlhabenden fallen. "Wer weiss, der Tag kommt und ich kann einer von ihnen sein." Träume, die sich in Aufruhr umwandeln.

Das oberste Prinzip der weltweiten Bürgerrechte ist das Recht aller auf Leben, und, wie Jesus laut Johannes 10, 10 hervorhebt, gar auf "ein Leben in Fülle". Wie ist das zu erreichen ? Jedwede Alternative muss die Extreme auf der Seite lassen, die zu einem Grossteil die Bedeutung der Humanität im 20 Jahrhundert verschandet haben: der freie Markt und die zentralistische Planwirtschaft. Weder das eine noch das andere ordnet die Wirtschaft den Bürgerrechten unter. Der Markt verengt die Möglichkeiten und konzentriert den Reichtum auf wenige Hände. Die zentralistische Planwirtschaft, wenn auch im Namen des Volkes geschult, schliesst die Willensfreiheit aus. Der Markt verschärft den Zustand der Ungerechtigkeit. Die zentrale Planung verringert die Ausübung der Freiheit.

Um Markt und Planung in Einklang zu bringen ist es dringend notwendig die Logik der Ökonomie, das Paradigma der Anhäufung, zu verabschieden um ein ausgewogenes Gemeinwesen zu entwickeln, in einer Art, die den Bürger über den Konsum und die sozialen Rechte der Mehrheit über die Privilegien einer Minderheit stellen.

Die kürzlichen Ausschreitungen in Argentinien verdeutlichen nur ein wieteres Mal das Ende der Geduld des Volkes. Kein Dekret der reichen Länder kann einen Volksaufstand zurückhalten. Schluss mit dem Internationalen Währungsfond, der darauf besteht das Wissen zu besitzen, was für Lateinamerika und andere Gegenden der Erde das beste sei. Die sozialen Tatsachen beschreiben nur zu gut, wie weit entfernt er davon ist, das beste für die Mehrheit der Bevölkerung im Augenschein zu haben. Heute gibt es 221 Millionen Ausgeschlossene auf unserem amerikanischem Kontinent.

Das Weltsozialforum ist ein Licht am Ende des Tunnels. Hoffnung auslösend für massenhaft militante Anhänger der Utopie, die das Zusammenleben mit den vier Milliarden menschlichen Opfern suchen, Opfer eines Systems das auf Brot einen Wechselwert aufdrückt wie auf Ware und keinen Gebrauchswert kennt, wie den unerlässlichen Nutzen für unser biologisches Überleben.

(Aus dem Spanischen übertragen: Carsten Stark)

 

« zurück zur Übersicht

 

Aus www.weltsozialforum.org, gedruckt am: Fr, 19.04.2024 ©
weltsozialforum.org ist für den Inhalt externer Links nicht verantwortlich.
Besuchen Sie www.weitblick.net unter www.weitblick.net

 

drucken
schliessen
nach oben