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Berichte

»Ganz Belém spricht über das Weltsozialforum«

Treffen der Globalisierungskritiker beginnt am Dienstag in Brasilien. Thema: Amazonien. Ein Gespräch mit Martin Kessler

(Interview: Gitta Düperthal, junge Welt)

Martin Kessler ist Autor der Film-Triologie »Neue Wut«. Für sein neues Filmprojekt dreht er beim Weltsozialforum in der brasilianischen Stadt Belem

Am morgigen Dienstag beginnt im brasilianischen Belem das Weltsozialforum, auf dem mehr als 80 000 Teilnehmer über globalisierungskritische soziale Kämpfe diskutieren. Sie machen dort Aufnahmen für ihren neuen Film – mit welchem Schwerpunkt?
Es wird eine kritische Bilanz geben. Im Mittelpunkt stehen die beim diesjährigen Weltsozialforum (WSF) diskutierten Auswirkungen der Globalisierung auf Amazonien. Beispielsweise haben wir mit Indianern gedreht, die gegen das größte Staudammprojekt Brasiliens »Belo Monte« am Fluß Xingu kämpfen, weil es ihre Dörfer bedroht. Der Bau soll dieses Jahr beginnen, unter anderem, um billigen Strom für multinationale Konzerne zu liefern, die zum Beispiel Bauxit zu Aluminium verhütten.

Was können wir von den Kämpfen der Indianer gegen die Staudämme im Amazonas lernen?

Vor allem, daß man einen langen Atem braucht. Das zeigt die Geschichte der Indianerin Tuira Kayapó. Ihr Foto ging 1989 um die Welt, als sie dem damaligen Präsidenten des Stromkonzerns Eletronorte, José Antônio Muniz Lopes, zur Warnung eine Machete vor die Nase hielt – aus Protest gegen die falschen Versprechen des Konzerns. Mit Hilfe internationaler Proteste, unterstützt von Rockstars wie Sting, wurde das Projekt 1989 gestoppt. Die Regierung von Präsident Lula da Silva – einst mit der Protestbewegung verbündet – hat es jetzt wiederentdeckt. Und will es realisieren! Tuira Kayapó wird beim WSF dagegen kämpfen. Nach wie vor will sie nicht akzeptieren, daß die Regierung immer nur vom Energiepotential der Flüsse in Amazonien redet, jedoch nie von deren Bedeutung für Ernährung, Transport oder Artenvielfalt.

Welche Unterstützung erwarten die Indios vom WSF?

Vor allem Aufmerksamkeit für ihre Lage – anders als 1989 ist der internationale Protest gegen Megastaudämme wie »Belo Monte« gering.

Sie haben den Minister für strategische Angelegenheiten, Roberto Mangabeira Unger, aus Lulas Regierung interviewt. Wie hat er reagiert?

Da Silva wird dieses Mal zum Forum kommen und nicht zum Weltwirtschaftsgipfel nach Davos reisen. Unger verteidigt natürlich das Konzept zur sogenannten »nachhaltigen Entwicklung Amazoniens«. Mit dem Straßen-, Energie-, Industrie- und Siedlungsprojekt will man die Situation der Bevölkerung verbessern, zugleich aber Auswirkungen auf die »grüne Lunge der Welt« in Kauf nehmen. Er argumentiert so: Nicht einzusehen sei, daß Schwellenländer wie Brasilien stets auf alles verzichten – da sie doch zunächst auf eine Stufe mit den industrialisierten Staaten kommen müßten. Diese Diskrepanz wird wohl Thema des Weltsozialforums werden.

Welche Strategie verfolgen die Arbeiter aus der Aluminiumfabrik in Belem, die Sie für Ihren Film interviewt haben?

Wir haben gerade mit Gewerkschaftern des Alu-Multis »Albras« gedreht. Sie beklagen die Zersplitterung der brasilianischen Gewerkschaften und die mangelnde Bildung der Arbeiter, was ihre Organisationsarbeit erschwert. Leider durften wir im Betrieb nicht drehen. Während des WSF wird eine Delegation der IG Metall das Werk besuchen, um den abgerissenen Kontakt zu den Gewerkschaftern wieder zu knüpfen. Sie haben Angst vor Arbeitslosigkeit, sie müßten sich dann etwa als illegale Holzfäller verdingen.

Welche Intention haben Sie mit Ihrem neuen Film?

Natürlich geht es wieder darum: »Un outro mundo es possivel – eine andere Welt ist möglich«. Unter diesem Motto traf sich bereits 2001 die weltweite Generalversammlung sozialer Bewegungen, Globalisierungskritikerinnen und -kritiker. Theoretiker wie Noam Chomsky werden zur neoliberalen Globalisierung und über Möglichkeiten des Widerstands reden. Eine erste Fassung meines Films soll im April herauskommen und zunächst beim MCPLANET-Kongreß in Berlin laufen. Mit dem Film möchte ich zur Debatte über den Stand der Bewegung beitragen.

Wie ist die Stimmung kurz vor Beginn des Forums?

Überall in Belem wird über das WSF gesprochen – doch viele wissen gar nicht, um was es geht. Aber die brasilianischen sozialen Bewegungen wissen genau, was sie wollen. Sie erhoffen sich internationale Unterstützung.

Infos unter www.neuewut.de.

 

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