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Berichte

Neuer Schub fürs Weltsozialforum

Nach einjähriger Pause findet wieder ein Weltsozialforum statt: Tausende Globalisierungsgegner werden vom 27. Januar bis 1. Februar an der "Anti-Davos-Veranstaltung" im brasilianischen Belém erwartet, darunter eine Delegation aus der Schweiz

(von Daniele Mariani, swissinfo)

Belém wird die "Stadt der Mangobäume" (cidade das mangueiras) genannt. Die Veranstalter des Weltsozialforums haben diesen Ort nicht zufällig ausgewählt.

Die Hauptstadt des Bundesstaates Para mit rund 1,5 Millionen Einwohnern an der Mündung des Rio Guamá gilt als Eingangstor nach Amazonien. Und diese Region steht "unter dem Dauerdruck des entfesselten Kapitalismus", wie Antonio Martins, einer der WSF-Gründer, in einem Interview mit der Genfer Tageszeitung Le Courrier erklärte.

Amazonien ist aber auch ein Gebiet, in dem viele soziale Bewegungen aktiv sind, so etwa die Landlosenbewegung (MST) oder die Gemeinschaften von "quilombolas", den Nachfahren afrikanischer Sklaven.
Ein neuer Schub

Mit dem Austragungsort Belém kehrt das WSF in gewisser Weise an seinen Ursprung zurück. Die ersten drei Jahre fand das WSF im brasilianischen Porto Alegre statt. In Belém werden 100'000 Personen, 4000 Nichtregierungs-Organisationen sowie Vertreter von sozialen Bewegungen aus 150 Ländern erwartet.

Das WSF war als Gegenveranstaltung zum Word Economic Forum WEF in Davos geboren worden. Doch zuletzt hat das WSF an Zugkraft eingebüsst. Die Bilanz des WSF von Nairobi im Jahr 2007 mit 57'000 Teilnehmenden fiel durchzogen aus. Sowohl die Qualität der Debatten als auch die hohen Einschreibegebühren waren kritisiert worden.

Die Weltwirtschaftskrise hat jedoch den sozialen Bewegungen und Nichtregierungs-Organisationen (NGO) neuen Auftrieb gegeben. Die Ausschweifungen von Kapitalismus und Globalisierung waren stets in der Kritik der Altermondialisten.
Grenzen des Wirtschaftssystems

"Die Grenzen dieses globalisierten Wirtschaftssystems sind ganz deutlich geworden", sagt Peter Niggli, Direktor der Schweizer NGO Alliance Sud und Mitglied der Schweizer WSF-Delegation in Belém.

Er erwartet vom diesjährigen Forum vor allem zwei Dinge: "Zum einen will ich verstehen, inwieweit die sozialen Bewegungen die Politik in ihren Ländern beeinflussen können. Zum anderen möchte ich sehen, ob es konkrete Vorschläge gibt, um der Krise entgegen zu wirken und den Aufbau einer alternativen Finanzwelt zu ermöglichen."

Ständerat Luc Recordon (Grüne) ist der einzige Bundesparlamentarier, der an der Reise nach Belém teilnimmt. Seiner Meinung nach sollte man keine Wunder vom WSF erwarten: "Ich glaube nicht, dass an einem solchen Forum neue Ideen geboren werden. Es ist vor allem ein Ort, wo sich bestehende Ideen ein Forum verschaffen und diskutiert werden können.

Recordon vergleicht das WSF mit der Comptoir Suisse, einer grossen Messe in Lausanne. Auch dort würden nicht die grossen Erfindungen getätigt. "Die Leute gehen an diese Messe, um zu schauen, was die Industrie anbietet."

Für die sozialen Bewegungen und NGO sind Treffen wie das Weltsozialforum indes immer wichtige Veranstaltungen, um zu verstehen, was in anderen Regionen der Welt passiert. Zudem lassen sich leicht Kontakte knüpfen.

"Dank des WSF konnten wir Beziehungen mit Gewerkschaftern in anderen Ländern aufbauen, vor allem mit Leuten, die sich um multinationale Unternehmungen kümmern, deren Sitz sich in der Schweiz befindet", sagt Rita Schiavi von der Unia-Geschäftsleitung, der grössten Schweizer Gewerkschaft.
Kritik an vager Kritik

"Das Forum ist ein Ideenbasar, um den eigenen Horizont zu erweitern. Es ist ein Treffpunkt, um sich über alte und neue Kampagnen zu informieren", meint Peter Niggli.

Das WSF ist laut Niggli aber auch ein Ort, um Initiativen bekannt zu machen. So war das Forum ein idealer Ort, um das Tax Justice Network zu lancieren, ein weltweites Netzwerk gegen Steuerparadiese und Steuerflucht. Dieses Netzwerk übt mittlerweile Einfluss auf die UNO und die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit aus.

Das WSF wurde häufig kritisiert, weil angeblich zu wenig Konkretes produziert werde und es sich zu sehr auf lokale Initiativen konzentriere. Die Kritik am Neoliberalismus sei zu allgemein formuliert.

"Das WSF muss schnell die 'Kultur der Anklage' überwinden", räumt Antonio Martins ein, "die Leute wollte konkrete Antworten". Es müsse der Beweis erbracht werden, dass konkrete Alternativen in der Wirtschaftswelt denkbar und umsetzbar seien.

(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

 

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