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BerichteSolidarität für gute Bildung in der Krise Unzählige Sprachen schwirren über den Campus der El Manar-Universität in Tunis, das Bedürfnis nach internationalem Austausch beim Weltsozialforum ist enorm. Nach der gestrigen Auftaktdemonstration folgte heute der erste von drei Tagen mit Workshops und Diskussionsforen. Die erste GEW-Veranstaltung stand im Zeichen von guter Bildung in Zeiten der Krise.
(von Anja Heifel (Text) sowie Birte Prpitsch und Manfred Brinkmann (Fotos), GEW) Auftakt der Workshop-Phase Es
ist der erste von drei Tagen mit Workshops und Diskussionsforen in
Tunis. Der Hochschulalltag auf dem Campus scheint außer Kraft gesetzt.
Heute wie auch an den beiden kommenden Tagen prägen rund 30.000
GewerkschafterInnen und GlobalisierungsgegnerInnen aus aller Welt das
Bild der Universität. Zahlreiche Info-Stände und Zelte laden zum
Verweilen ein und bringen die Menschen miteinander ins Gespräch. In drei
Veranstaltungsblöcken regen Organisationen zum internationalen
Austausch an über 300 Veranstaltungen sind es allein an diesem ersten
Tag. Dafür dass sich dabei möglichst alle verstehen, sorgen die ÜbersetzerInnen von Babels, einem internationalen Netzwerk von Freiwilligen, das im Jahr 2002 aus der Vorbereitung zum Europäischen Sozialforum (ESF) hervorgegangen ist. Etwa 9.000 Menschen zählt das Netzwerk mittlerweile, das ohne Hierarchie und feste Strukturen funktioniert. Der Grundgedanke von Babels: Professionelle Übersetzung muss für alle verfügbar sein auch für Organisationen, die nicht über die entsprechenden finanziellen Mittel verfügen. Auf diese Weise können auch kleinere, zivilgesellschaftliche Grassroot-Organisationen in Diskussionen auf globaler Ebene einsteigen. In Tunis ist die Nachfrage so groß, dass die Babelistas ihr kaum gerecht werden können. Vermutlich kann nur die Hälfte des Übersetzungsbedarfs gedeckt werden. Wer seine Veranstaltung ohne Babels bestreiten muss, findet mit etwas Glück dennoch Freiwillige wie Denis aus Quebec, die spontan vor Ort als ÜbersetzerInnen einspringen Improvisation ist alles. Links: Babylonische Sprachenvielfalt beim Weltsozialforum Für die GEW steht der erste Veranstaltungstag des Weltsozialforums im Zeichen der Krise. Florian Lascroux (SNES-FSU, Frankreich), Henrique Borges (FENPROF, Portugal), Michael Vasiliadis (OLME, Griechenland) und Gunter Quaißer (GEW) diskutieren über Strategien für gute Bildung in Zeiten der Austerität. Trotz aller Unterschiede haben alle Länder eines gemeinsam: Nachdem die Regierungen die Krise im Bankensektor durch hohe Staatsanleihen abgewendet hat, bezahlt nun der öffentliche Sektor und leidet unter harten finanziellen Einschnitten, insbesondere im Bildungsbereich. Stellenstreichungen und Lohnkürzungen, größere Klassen und Schulschließungen die Auswirkungen der Sparmaßnahmen sind bereits deutlich zu spüren: Die Arbeitslosenquote steigt drastisch, vor allem unter jungen Menschen. In Griechenland liegt sie bereits bei über 50 Prozent. Auch Barbara Geier von der GEW Hamburg warnt vor den Konsequenzen von Sparprogrammen und zunehmender Privatisierung im öffentlichen Bildungssektor: „Unsere jetzigen Bildungssysteme schaffen soziale Ungleichheit! Es geht dabei nicht nur um kurzfristige finanzielle Entscheidungen, sondern um langfristige gesellschaftliche Prozesse.“ Gefordert sei deshalb nicht nur gute, sondern zugleich kostenlose Bildung für alle. Links: Zusammen mit der GEW auf dem Podium: GewerkschafterInnen aus Griechenland, Portugal und Frankreich Auch
die Lehrergewerkschaft FNEEQ-CSN aus Québec, mit dem Denis zum
Weltsozialforum gereist ist, will den neoliberalen Einflüssen auf das
Bildungssystem die Stirn bieten. Ihr Workshop am Nachmittag öffnet dabei
den Blick auch in Richtung Hochschule. Frauke Rütter,
Jugendbildungsreferentin der GEW NRW, berichtet in der anschließenden
Diskussion von der Exzellenz-Initiative deutscher Universitäten, die
immer mehr Hochschulen im Kampf um Drittmittel in zweifelhafte
Kooperationen mit Wirtschaftsunternehmen oder der Bundeswehr drängt. In
Anlehnung an die Studierendenproteste in Kanada erzählt sie auch von den
erfolgreichen Protesten gegen Studiengebühren an deutschen
Universitäten. Während des GEW-Workshops betont ein Teilnehmer des französischen Gewerkschaftsbundes CGT die Rolle der Gewerkschaften im Kampf für gute Bildung: „Wir müssen die Arbeitnehmerrechte verteidigen. Das ist die Grundvoraussetzung für gute und sozial gerechte Bildung.“ Eine Forderung, die nicht nur für die Schule, sondern für alle Bildungsbereiche gilt. Florian von SNES-FSU appellierte eindringlich an die internationale Solidarität, vor allem unter Organisationen im Bildungsbereich. „Schule bereitet nicht nur auf den Beruf vor“, begründete er. „In einer komplexen Gesellschaft brauchen Schülerinnen und Schüler gute und umfassende Bildung, um gerecht und demokratisch handeln zu können.“ Mitte: Info-Stände von Verbänden und Organisationen aus der ganzen Welt laden zum Verweilen ein Rechts: Eine Million Menschen leben in Tunis |
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Aus www.weltsozialforum.org, gedruckt am: Mi, 05.02.2025
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