Berichte
Ein anderes Internet ist möglich
und nötig
(von Angela Isphording, Rosa Luxemburg Stiftung)
Das Weltsozialforum bietet neben seinem umfangreichen Programm auch fünf Parallelforen. Eines davon ist das Weltforum Freier Medien, bei dem Medienaktivist_innen sich eine Woche lang zu Themen wie Internetpolitik, Communityradios, Freie Software, das Recht auf Kommunikation, etc austauschen. Die Rosa Luxemburg Stiftung war auf diesem Forum mit vier Workshops, einem Austausch zu Community Radios und dem Panel „ein anderes Internet ist möglich“ vertreten.
Auf dem - gemeinsam mit Mayfirst organisierten - Panel berichtete die Medienaktivistin und Referentin der LINKEN im Bundestag Anne Roth über ihre Arbeit zum NSA-Untersuchungsausschuss und den dahinterliegenden Skandal der Bespitzelung der deutschen Bevölkerung durch den BND für die US-amerikanische NSA. Im Anschluss sprach der US-Medienaktivist und Gründer des Internetproviders Calyx aus New York über seinen Fall: Nick Merrill kämpfte gemeinsam mit der American Civil Liberties Union zwölf Jahre lang erfolgreich gegen die Umsetzung eines „National Security Letters“, mit dem Calyx dazu gezwungen werden sollte, die Daten eines Kunden offen zu legen. Seiner Klage gegen das FBI wurde in vier Instanzen Recht gegeben. Der Fall wurde seiner Meinung nach nur deshalb eingestellt, weil das FBI Angst hatte, dass auch der Obersten Gerichtshofs die Verfassungswidrigkeit dieser Praxis bestätigen würde. Damit wäre dem Spuk ein Ende gesetzt worden, dem in den USA jährlich Tausende von Internetkunden zum Opfer fallen. Dies geschah leider bislang nicht. Besonders tragisch an Merrills Fall war die sogenannte „gag order“ er durfte sechs Jahre lang mit niemanden über den Fall reden, auch nicht mit seiner Familie und engsten Freunden.
Dem Thema der Massenüberwachung von Internetusern und möglichen Strategien für politische Aktivist_innen widmete sich der zweite Teil der Veranstaltung, bei der sich vier linkspolitische Internetorganisationen vorstellten: Mayfirst, eine linker Internetprovider mit Sitz in den USA und Mexiko, Equalité, eine kanadische Organisation, die sich auf die Herstellung von Schulungen und Software zur digitalen Sicherheit spezialisiert hat, Rizhomatica aus Mexiko, die einen gemeindekontrollierten Internetzugang in ländlichen Gemeinden stellen und Altermundi aus Argentinien, die dezentrale Netzwerke für linke Organisationen anbieten.
Die Teilnehmer_innen des Panels waren sich einig, dass es nicht möglich ist, Politik und Technik voneinander zu trennen. Alfredo López von Mayfirst brachte dies auf den Punkt: „Technologie ist heute der mächtige Motor des Kapitalismus, wenn wir die Revolution wollen, brauchen wir diesen Motor. Wir müssen die Technik zum Motor der Revolution machen.“
Ein wichtiger Faktor für diese Revolution ist die Entwicklung und Verwendung von nicht-kommerzieller Software es wurde kritisiert, dass auch linke Institutionen Microsoft benutzen, anstatt zu freier Software zu migrieren. Aktivist_innen verwenden Google, Facebook (oder sein Whatsapp) und Co, obwohl bekannt ist, dass diese von den Daten ihrer Kund_innen leben, bzw. sie an andere weitergeben. Dabei gibt es zumindest im Softwarebereich Alternativen, die nicht nur gut funktionieren sondern auch wesentlich weniger anfällig für Viren und Zugriff von außen sind.
Dmitri Vitaliev berichtet, dass immer mehr linke Internetseiten Cyberattacken zum Opfer fallen. Equalité hat eine Software namens „deflect.ca“ entwickelt, mit der die Seiten geschützt und auch das Profil der Verursacher dieser Attacken festgestellt werden kann. Seiner Meinung ist eine Dezentralisierung des Internets, das sogenannte „peer to peer“ hilfreich, bei dem die Information auf vielen Computern anstatt auf einem Server liegt und die Teilnehmer_innen die Verbindung manuell herstellen. Diese Methode wird auch als „Darknet“ bezeichnet und mit dem Hinweis, dass sich auch die organisierte Kriminalität hier herumtreibt, als negativ abgestempelt. Jedoch bietet sie ihren Usern einen deutlich höheren Grad an Sicherheit.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, der auf dem Panel genannt wurde, ist der Zugang zum Internet. Dort wo es sich lohnt, werden Kabel gelegt und Wifi bereitgestellt. Dies trifft jedoch nicht auf ländliche Gemeinden oder arme Länder zu, weshalb 60% aller Menschen der Welt bislang keinen Internetzugang haben. Doch für Peter Bloom von Rizhomatica geht es nicht nur darum, Zugang zu schaffen, sondern er fordert, dass die Gemeinden Kontrolle über ihr Netz haben sollen. Seine Organisation errichtet Netze in indigenen Gemeinden im Süden Mexikos mit der Hilfe von Handys und einer passenden Software. Die User_innen zahlen 2,50 US-Dollar im Monat.
Im Resumé waren sich die Teilnehmenden einig, dass linke Bewegungen und Aktivist_innen sich mehr mit Technik und digitaler Sicherheit auseinandersetzen müssen, um ihre Arbeit auch in Zukunft machen zu können. Dies geht von den Nutzungsgewohnheiten jedes/jeder Einzelnen und der Organisationen, über Gesetzgebung und Umsetzung der Gesetze bis hin zur politischen Lobbyarbeit für die Rechte auf Kommunikation und Persönlichkeitsschutz.
(Angela Isphording leitet das Referat Amerika im Zentrum für Internationalen Dialog und Zusammenarbeit der Rosa Luxemburg Stiftung in Berlin)
« zurück zur Übersicht
|