Berichte
Sanktionen für Frieden
Internationale Kampagne ruft zum Boykott, zum Investitionsstopp und zu Sanktionen gegen Israel auf. Aktion soll helfen, ein Ende der Besatzung zu erreichen
(von Martin Forberg, junge Welt)
Als Folge des Krieges gegen die Palästinenser im
Gazastreifen hat die Diskussion wieder an Aktualität
gewonnen, ob Sanktionen helfen können, ein Ende der
israelischen Besatzung zu erreichen. Auf dem Weltsozialforum 2009
im brasilianischen Belem wurde der 30. März zu einem
»weltweiten Aktionstag in Solidarität mit dem
palästinensischen Volk« erklärt. An diesem Tag soll
für Boykottmaßnahmen und den Entzug von Investitionen
gegenüber israelischen und internationalen Unternehmen
geworben werden, die »die israelische Apartheid und Besatzung
aufrechterhalten«. Die Notwendigkeit der strafrechtlichen
Verfolgung mutmaßlicher israelischer Kriegsverbrechen wird
ebenso zum Thema gemacht wie die Aufhebung von Freihandelsabkommen
mit Israel und ein Waffenembargo.
Mitte Februar forderten etwa 50 französische Wissenschaftler
ein Ende der Blockade des Gazastreifens. Sie bekundeten, jegliche
Zusammenarbeit mit israelischen Institutionen, die sich »an
der Besatzung beteiligen«, einstellen zu wollen. Gleichzeitig
erklärten sie sich mit denen solidarisch, die sich in Israel
»mutig für die menschlichen, sozialen und politischen
Rechte der Palästinenser« einsetzen. Schon Anfang Januar
hatten über 500 israelische Künstler und Intellektuelle
für Sanktionen plädiert, solange ihr Land das
humanitäre Völkerrecht nicht respektiere. Für
Aufsehen sorgte die globalisierungskritische kanadische Autorin
Naomi Klein. In ihrer Kolumne im britischen Guardian
unterstützte sie im vergangenen Monat die von »einer
breiten Koalition palästinensischer Gruppen« im Jahr
2005 initiierte Kampagne »Boykott, Desinvestition,
Sanktionen«, kurz BDS.
Klein vergleicht BDS mit dem Boykott des südafrikanischen
Apartheidregimes. Seit 2006 habe Israel weltweit seine
diplomatischen, kulturellen und Handelsbeziehungen verbreitern und
vertiefen können - trotz Libanon-Krieg, Beschleunigung der
Siedlungspolitik und der Blockade des Gazastreifens. Deshalb sei
jetzt internationaler Druck auf Israel nötig.
»BDS« sei allerdings kein Dogma, sondern eine Taktik
und wegen der starken Abhängigkeit des kleinen Landes
vom Außenhandel erfolgversprechend.
In Deutschland rief die Kolumne zunächst ein beinahe
feindliches Echo hervor: In der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit
unterstellte Thomas Assheuer, Klein habe dazu aufgerufen,
»israelische Geschäfte zu boykottieren und den Kauf
jüdischer Exportartikel (sic!) zu unterlassen«. Der
Autor verwendete hier selbst einen Begriff, den es so nur im
Bewußtsein eingefleischter Antisemiten geben kann: denn was
sollen »jüdische Exportartikel« sein?
Tatsächlich hat Klein weder das eine noch das andere
gefordert, sondern betont: »Ich boykottiere die israelische
Wirtschaft, nicht aber Israelis.«
Martin Altmeyer wiederum machte in der taz bei Naomi Klein
»Antisemitismus von links« aus. Auch er umschiffte die
konkrete Auseinandersetzung mit der Guardian-Kolumne und
improvisierte statt dessen frei über ihr jüngstes Buch
»Die Schock-Strategie. Der Aufstieg des
Katastrophen-Kapitalismus«. Die Autorin bediene dort die
»ganze Palette antisemitischer Klischees« und
projiziere sie auf den Staat Israel. Daß selbst die Zitate,
die Autor Altmeyer ausgewählt hat, diese infamen Behauptungen
nirgendwo stützen, schien nicht weiter zu stören.
Die beiden Beiträge blieben nicht unwidersprochen: Es sei
»ein intellektuelles und moralisches Armutszeugnis«,
eine »kanadische Jüdin mit dem deutschen
Nationalsozialismus (und dies auch noch in einer deutschen Zeitung)
zu assoziieren«, hieß es in einem Zeit-Leserbrief
(29.1.2009). In der taz erinnerte Daniel Bax daran, daß Klein
selbst »oft genug davor gewarnt hat, Antisemitismus zu
bagatellisieren«. Antijüdische Parolen auf
Demonstrationen gegen den Gaza-Krieg würden mit Recht
skandalisiert. Eine »Boykottkampagne gegen Israel zu
fordern«, sei jedoch so legitim, wie ein Boykott gegen andere
Staaten auch, meint Bax. Dabei bleibt er selbst gegenüber
einer Boykottforderung skeptisch.
Festzuhalten bleibt, daß es in Deutschland vor dem
Hintergrund der Nazibarbarei nötig ist, den Begriff
»Boykott« durch »Sanktionen« zu ersetzen.
Parallel hierzu sollte die
Israel/Palästina-Solidaritätsbewegung mehr als bisher
gegen alle Formen von Rassismus arbeiten und den Dialog zwischen
Juden und Muslimen, zwischen hier lebenden Menschen
palästinensischer und israelischer Herkunft
fördern.
Wer ein Zwei-Staaten-Konzept will, das diesen Namen verdient, kommt
indes um Druck auf Israel nicht herum, weil anders die Besatzung
als strukturelles Haupthindernis für einen Frieden nicht
überwunden werden kann.
Die BDS-Kampagne jedenfalls kann in den letzten Wochen einige
spektakuläre Erfolge verbuchen: Um hier nur einen zu nennen:
Der Konzern Veolia verlor im Januar einen Auftrag in Schweden im
Wert von 3,5 Milliarden Euro: Bislang betreibt das
französische Unternehmen die U-Bahn im Bezirk Stockholm, sie
erhielt aber den Folgeauftrag für die nächsten acht Jahre
nicht. Eine Entscheidung aus rein wirtschaftlichen Gründen,
wie die zuständige Behörde betonte. Die schwedische
Hilfsorganisation Diakonia vermutet indes, daß Medienberichte
über die Veolia-Beteiligung am CityPass-Stadtbahn-Projekt in
Jerusalem ausschlaggebend waren. Durch CityPass werden die
israelischen Siedlungen Pisgat Zeev und French Hill im 1967
besetzten Ost-Jerusalem zusätzlich an West-Jerusalem
angebunden.
Die israelische Frauenorganisation »Coalition of Women for
Peace« hat mittlerweile im Internet eine Liste israelischer
und internationaler Unternehmen veröffentlicht, die von
Besatzung und Siedlungspolitik profitieren (www.whoprofits.org). Die
Forderung nach Sanktionen schließt durchaus nicht aus,
palästinensische und israelische Unternehmen bewußt zu
unterstützen, die sich für einen gleichberechtigten
Frieden einsetzen.
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