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Berichte

Eine kurze Geschichte des Weltsozialforums

Am Anfang des WSF steht der "zapatistische Schrei" von 1994 und die Demonstrationen in Seattle im Jahr 1999, die die WTO-Tagung verhinderten. Danach ging die anti-neoliberale Bewegung von der Phase des Widerstandes zur Phase des Aufbaus von Alternativen über. Dieses WSF wird zeigen, ob es sich immer noch in der Phase des Widerstands, der Zersplitterung der Themen, der Beschränkung auf die "Zivilgesellschaft" beschränkt oder ob es sich in der aktuellen Phase des hegemonialen Kampfes positioniert, nicht mehr nur auf der nationalen oder regionalen Ebene, sondern weltweit. Eine Analyse von Emir Sader

Am Anfang des WSF steht der "zapatistische Schrei" von 1994 und die Demonstrationen in Seattle im Jahr 1999, die die WTO-Tagung verhinderten. Danach ging die anti-neoliberale Bewegung von der Phase des Widerstandes zur Phase des Aufbaus von Alternativen über. Dieses WSF wird zeigen, ob es sich immer noch in der Phase des Widerstands, der Zersplitterung der Themen, der Beschränkung auf die  "Zivilgesellschaft" beschränkt oder ob es sich in der aktuellen Phase des hegemonialen Kampfes positioniert, nicht mehr nur auf der nationalen oder regionalen Ebene, sondern weltweit.

Das Weltsozialforum hat bereits eine Geschichte. Eine Geschichte, die nicht verstanden werden kann, wenn sie abgekoppelt wird von ihrer Geburt und von dem, womit sie untrennbar verbunden ist: dem Kampf gegen den Neoliberalismus und für eine post-neoliberale Welt. Das ist das zentrale Element ihres Mottos "Eine andere Welt ist möglich".

In seinen Ursprüngen ist der "zapatistische Schrei" von 1994 verknüpft mit der Forderung nach dem weltweiten Kampf gegen den Neoliberalismus. Dann kam der Leitartikel von Le Monde Diplomatique, Autor Ignacio Ramonet, mit dem Aufruf für einen Kampf gegen das "Einheitsdenken", gefolgt von den Demonstrationen in Seattle, die die Tagung der WTO verhinderten, und von den anderen in vielen Städten auf der ganzen Welt. Außerdem gab es Anti-Davos Demonstrationen jedes Jahr in der Schweiz.

Bis zu dem Zeitpunkt, an dem, mit dem Wachstum des Widerstandes gegen den Neoliberalismus, das Projekt für die Organisation eines Weltsozialforums geboren wurde als Opposition zum Weltwirtschftsgipfelin Davos. Die Idee kam von Bernard Cassen, dem französischen Journalisten, der zu diesem Zeitpunkt Attac leitete, der zur gleichen Zeit vorschlug, den Ort an die Peripherie des Systems zu legen, wo die vor allem die Opfer des Neoliberalismus leben - in Lateinamerika -, wo sich auch die wichtigsten Strömungen des Widerstandes entwickelten - in Brasilien – wo die Linke zu diesem Zeitpunkt am stärksten war, insbesondere in Porto Alegre wegen der Politik der PT-Regierunge mit ihrem partizipativen Haushalt.

Von dieser Vorgeschichte gelangte das WSF in den geschichtlichen Abschnitt, in dem sechs Weltsozialforen stattfanden. Nach dem ersten konstituierte sich ein Internationaler Rat, mit der Teilnahme aller Organisationen, die sich beteiligen wollten, aber die Führung blieb bei einer kleinen Gruppe von brasilianischen Organisationen, von NGO's dominiert. Dies war eine grundsätzliche Beschränkung des WSF, da die Bewegung sich vorwiegend auf soziale Bewegungen stützte, wovon Via Campesina einen erheblichen Teil ausmachte. Darunter NGO's – die selbst neoliberal waren aufgrund ihrer ablehenden Haltung gegenüber dem Staat, sowie NGO's mit inhaltlich und finanziell obskuren Aktionen und Allianzen mit großen privaten Unternehmen; sie bemächtigten sich der Kontrolle des WSF und gaben ihm ein beschränktes Mandat.    

Beschränkt war es, weil begrenzt auf eine angebliche "Zivilgesellschaft", die ihr bereits  einen liberalen Charakter gab, in Opposition zu Regierungen, Parteien, Staaten, was ihre Fähigkeit einschränkte, "eine andere mögliche Welt" aufzubauen, eine globale Welt, charakterisiert von der Transformation der Machtverhältnisse, des Staates und der Gesellschaft als Ganzes.

Dazu kam noch ein weiteres globales Thema: Der Kampf für den Frieden als Antwort auf die Politik des "endlosen Krieges" der USA. Dieser Kampf verkörperte die höchste Fähigkeit zur Mobilisierung der neuen Volksbewegungen in der Welt, mit der Mobilisierung gegen den Irak-Krieg im Jahr 2003.

Der Internationale Rat beschloss, den Ort für das WSF, abwechselnd in anderen Kontinenten zu organisieren, woraufhin sie in Indien und Kenia stattfanden. Gleichzeitig wurde ebenfalls entschieden, dass das WSF in regionaler Form alle zwei Jahre stattfindet. In der Realität jedoch begann das WSF, seine ursprüngliche Definition umzudrehen, sich lediglich auf den Bereich des Austausches von Erfahrungen zwischen den Akteuren der "Zivilgesellschaft" zu beschränken. Auf diese Weise begrenzte es seine Themen und seine Fähigkeit, Alternativen zu formulieren. Nicht einmal die Gewichtung der größten Mobilisierungen aller Zeiten, wie gegen den Krieg im Irak, bewirkte eine Nachhaltigkeit des Kampfes.

Die Zersplitterung der Themen nahm zu, als beschlossen wurde, dass die Tätigkeiten des WSF "selbstorganisiert" sein sollten, ohne politische Definition von grundsätzlichen Fragen, die zentral finanziert werden sollten, womit die NGO's und andere Körperschaften privilegiert waren, die, anders als die sozialen Bewegungen, über ausreichende Mittel verfügten. Sie sollten die wichtigsten Protagonisten der WSF werden.

Trotz der Wahl eines neuen Sekretariats, durch die Abstimmung der Mitglieder des Internationalen Rates, dominiert von NGOs, nur auf diesem WSF gibt es die Möglichkeit, mit der Realität seit 2001 abzurechnen. Nach sechs WSF hat „die andere mögliche Welt“ seine Akteure in den progressiven Regierungen Lateinamerikas. Entwicklungen wie ALBA, die Bank des Südens (Banco do Sul), Unasul, der südamerikanische Defense Council, darüber hinaus der Kampf gegen den Analphabetismus, die lateinamerikanische Medizinhochschule, die „Operation Wunder“ usw. verkörpern die wichtigsten Entwicklungen des Kampfes für den Post - Neoliberalismus.

Diejenigen sozialen Bewegungen, welche auf kreative Art ihre Beziehungen mit der Politik wiederherzustellen wussten – wie die Gründung von MAS durch die bolivianischen Bewegungen – und die sich mit der Gründung von neuen Regierungen und dem Aufbau von alternativen hegemonialen Projekten auseinander gesetzten, machten große Vorschritte beim Aufbau der „anderen Welt“. Auf der anderen Seite verloren diejenigen, welche sich in die "Autonomie der sozialen Bewegungen" flüchteten - wie die Piqueteiros in Argentinien oder die Zapatisten – an Bedeutung oder verschwanden sogar politisch.

Die anti-neoliberale Bewegung durchlief die Phase des Widerstands bis zu der des Aufbaus von Alternativen. Dieses WSF wird zeigen, ob es immer noch in der Phase des Widerstands, der Zersplitterung der Themen, der Beschränkung auf die "Zivilgesellschaft" beharrt oder sich positioniert auf der Ebene der aktuellen Phase der hegemonialen Auseinandersetzung, nicht mehr auf rein nationaler oder regionaler Ebene, sondern weltweit, wo die kapitalistische Krise und die Erschöpfung des neoliberalen Modells für das WSF die größte Herausforderung darstellt: Entweder Akteur des konkreten Aufbaus "einer anderen Welt“ zu sein oder nach wie vor nur Ort der Zeitzeugen, facettenreich, aber machtlos.

(Quelle des portugiesischen Originals: Agentur "Carta Maior"

Übersetzung: Germana Alberti vom Hofe)

 

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