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Berichte

Die große Vielfalt

(von Thomas Fischermann, Die Zeit)

Inzwischen wurde bekannt, dass einige prominente Sprecher wie Vandana Shiva (die prominente indische Gentechnik-Gegnerin) und Martin Khor (der Chef des Third World Forum) dem WSF doch noch fern geblieben sind - einige von ihnen, um Einladungen nach Davos zu folgen. Manche (auch deutsche) NGOs, die sich nicht ganz so "links" positionieren wollen wie die Macher des WSF, haben offenbar noch bis kurz vor Beginn der Veranstaltung über ihre Teilnahme debattiert. Einige Vertreter haben dann ihre offiziellen Visitenkarten zu Hause gelassen und sind "privat" angereist. Doch so oder so ist die Liste der Sprecher und die Vielfalt der Workshops und Diskussionsrunden beeindruckend:

1. Beim Themenschwerpunkt "Die Produktion von Wohlstand" geht es um Ideen für eine neue Weltwirtschaftsordnung. Prominente Theoretiker wie der radikale aegyptische Sozialist Samir Amin ("Kapitalismus ist immer schon imperialistisch gewesen"), der philippinisch-thailändische Ökonom Walden Bello und die japanische Anti-Schulden-Aktivisten Yoko Kitazawa diskutieren gemeinsam mit Gewerkschaftern, aber auch Unternehmervertretern aus der lateinamerikanischen Region.

2. Beim Themenschwerpunkt "Der Zugang zu Wohlstand und Nachhaltigkeit" stehen Soziales, Umweltfragen und die Gentechnologie auf dem Programm. Zu den prominentesten Rednern gehören Kalaysh Satyarti - ein bekannter Aktivist in Indien, der Kinder mit spektakulären Aktionen aus der Zwangsarbeit befreit hat, der italienische Politikwissenschaftler Ricardo Petrella. Sie diskutieren mit Arbeiterbewegungen, Bauernvertretern und militanten Landlosen, Experten zum Thema Gentechnik, Politikern und Geographen.

3. Unter der Überschrift "Die Festigung der Bürgergesellschaft" reflektiert die Bewegung über sich selbst - Wie soll es weiter gehen mit der Anti-Globalisierungsbewegung, und wie können NGOs die Zukunft mit gestalten? Eine zentrale Frage für die meisten hier versammelten Organisationen.

4. Im Themenschwerpunkt "Politische Macht und die neue Gesellschaft" geht es um Visionen. Politiker, Autoren, Philosophen und Journalisten diskutieren über Fragen wie die Zukunft des Nationalstaates, der Demokratie, neuen Formen der Weltregierung ("Global Governance"), die Bewahrung des Friedens in der neuen Zeit.

5. ... und all das sind nur die Programme für den Vormittag. An den Nachmittagen des Forum gibt es mehr als 300 "Workshops", überwiegend organisiert von namhaften Organisationen der NGO-Szene sowie von namhaften Künstlern und Autoren aus aller Welt. Es steht so ziemlich alles auf dem Programm, was die internationale Bürgerbewegung zu bieten hat. Von der Kontrolle schädlicher Finanzspekulationen über Kinderarbeit und Menschenrechte bis hin zur Rolle der Psychoanalyse in Zeiten der Globalisierung. Von der Zukunft der Gewerkschaften über die Ausgrenzung Schwarzer in der Arbeitswelt bis hin zur weltweiten Gesundheitsversorgung. Von der Abrüstung über sozialen Wohnungsbau bis zur Frage, ob die Globalisierung die Kultur auf der ganzen Welt immer gleicher macht. Und so weiter. Dazu kommt ein reiches Programm an Autorenlesungen, Ausstellungen, Filmvorführungen, Musik. Es erstreckt sich über die ganze Stadt.

Alles in allem: Es ist ein radikales Gegenprogramm zu der neoklassisch-ökonomischen Sicht auf die Welt, die in Davos vorherrscht. Bei so viel Vielfalt von Stimmen und Programmen hat die Anti-Globalisierungsbewegung freilich wieder mit ihrem alten Problem zu kämpfen: Wie soll man daraus etwas Gemeinsames formulieren? Im WSF-Organisationskomitee ist jetzt schon die Rede davon, eine gemeinsame Schlusserklärung einfach ausfallen zu lassen, aber das ist umstritten in der Szene. "Wir muessen uns entscheiden, ob wir hier ein grosses Zelt für alle spannen wollen, oder ob wir uns auf ein paar Kernforderungen und eine gemeinsame Strategie für die Zukunft der Bewegung einigen können", sagt Nicola Bullar, Vizechefin der Aktivistengruppe Focus on the Global South. "Mit anderen Worten: Wie breit soll die Bewegung verstanden werden?" Das ist das Grundproblem von Porto Alegre. "Wir sind hier nicht vor allem als Gegner von irgend etwas - wir wollen zeigen, wofür wir sind", sagt ein Mitglied des Organisationskomitees.

Jose Bove, der französische MacDonald's-Zerschmetterer und Bauernführer, will sich jedenfalls daran halten. Er ist mit einer Truppe Mitstreiter ebenfalls nach Porto Alegre angereist und hält jetzt im Plaza Sao Rafael Hof - dem teuersten Hotel am Ort. Über das McDonald's-Restaurant in der Nachbarschaft erklärte er sich in einem Interview bereits "traurig", aber Scheiben sollten diesmal keine splittern. "Ich hoffe, dass die Leute dort nichts essen", sagte Bove in dem Interview, "dann wird es eines Tages einfach eingehen".

 

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