Berichte
Good Vibes beim Weltsozialforum
15.000 marschieren gegen den Neoliberalismus - Präsident Cardoso sieht Maschinenstürmer am Werk
(von Gerhard Dilger, Informationsstelle Lateinamerika)
Porto Alegre - Der erste Tag des
Weltsozialforums war ein voller Erfolg: Unter strahlendem Himmel feierten
Tausende von GlobalisierungskritikerInnen in der südbrasilianischen
Hafenstadt Porto Alegre den Auftakt der Anti-Davos-Veranstaltung - mit einer
Theaterinszenierung, einem Marsch "gegen den Neoliberalismus und für
das Leben" und einem Open-Air-Konzert.
Bereits im Vorfeld hatte
Bernard Cassen, Chefredakteur von Le Monde diplomatique und einer der
Iniatiatoren des Treffens, drei gemeinsame Forderungen der rund 3.000
versammelten Delegierten angekündigt: einen Schuldenerlass für die Länder
des Südens, die Besteuerung internationaler Finanztransaktionen und die
Aufwertung öffentlicher Rentensysteme. "In Seattle, Washington und
Prag haben die sozialen Bewegungen klar gemacht, dass sie den
Internationalen Währungsfonds, die Weltbank und die Welthandelsorganisation
ablehnen," sagte Cassen. "Jetzt gehen wir zu einer konstruktiven
Haltung über und werden neue Perspektiven aufzeigen."
Eher kläglich geriet die
Attacke Fernando Henrique Cardosos, als er die Versammelten mit den
Maschinenstürmern des 19. Jahrhunderts verglich: "Es ist unmöglich,
das Rad der Gesschichte zurückzudrehen, die Telekommunikation, die
schnellen Informationen im Finanzbereich zu verhindern," klagte der
besorgte Präsident. Auch kritisierte er die Unterstützung des Treffens
durch die Landesregierung von Rio Grande do Sul mit etwa einer Million DM.
Gouverneur Olívio Dutra von der Arbeiterpartei PT konterte, die
Zentralregierung habe sich Brasiliens Expo-Teilnahme 18 Millionen DM kosten
lassen.
In seinem Grußwort auf der
Eröffnungsveranstaltung im überfüllten Auditorium der Katholischen
Universität kritisierte Dutra das "Einheitsdenken", das derzeit
die internationale Politik bestimme. Statt eines "Minimalstaats im
Dienst einiger weniger Interessengruppen" befürworte er einen
"beweglichen, effizienten Staat", der die Mehrheit der
Bevölkerung in den Mittelpunkt der Politik stelle. "Nicht nur eine
andere Welt ist nötig und möglich", sagte Dutra in Anspielung auf das
Tagungsmotto, "sondern auch ein anderes Brasilien, das in der Welt
nicht nur für Armut, niedrige Lebensqualität, soziale Ungleichheit,
Einkommenskonzentration und Missachtung von Natur und Menschenrechten
bekannt ist."
Die rund 4.000 Zuschauer aus
120 Ländern bejubelten Dutras Rede ebenso begeistert wie die dramatische
Umsetzung des Mottos "Eine andere Welt ist möglich" durch eine
Truppe brasilianischer Arbeits- und Landloser. Anschließend marschierten
rund 15.000 Menschen durch das Stadtzentrum Porto Alegres bis zum Ufer des
Guaíba-Flusses, wo der Lokalmatador Leonardo eine Serie von fünf
Open-Air-Konzerten eröffnete. Doch schon jetzt ist klar: Porto Alegre ist
weit mehr als ein Polit-Woodstock.
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