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Den Kritikern wird bewusst, wie verschieden sie sind

(von Thomas Fischermann, Die Zeit)

Verunsicherte Globalisierungsfans in Davos (siehe nebenstehenden Artikel)? Das ist noch gar nichts gegen die Verwirrung, die in diesen Tagen bei den Globalisierungsgegnern herrscht. Die Szene zieht ihre Lehren aus den zwei Anti-Davos-Veranstaltungen in den vergangenen Wochen - dem "Public Eye"-Gegenkongress vor den Türen des schweizerischen Wirtschaftsgipfels (WEF) und aus dem Weltsozialforum (WSF) im südbrasilianischen Porto Alegre. Die Lehre aus der Schweiz: Mit wilden Demonstrationen erreicht man immer noch die beste Medienwirkung. Die Lehre aus Brasilien: Viel schwieriger, als zu protestieren, ist es, mit 1000 Nichtregierungsorganisationen und 15 000 Delegierten aus 120 Ländern eine "andere mögliche Welt" zu entwerfen. Trotzdem - die Globalisierungsgegner sind entschlossen, nach den Protesten von Seattle, Washington, Prag und Davos endlich zu einer konstruktiven "Kultur des Ja" (Bernard Cassen) zu finden.

In der Abwesenheit äußerer Feinde - in Porto Alegre schwingt sogar der Staatsgouverneur die rote Fahne - wurde den einstigen Marschierern von Seattle erst richtig klar, wie verschieden sie sind. Aus der reichen Welt reisten Gewerkschafter und Umweltschützer an, aus der armen Welt landlose Revolutionäre und Vertreter von Bauernbünden. Aus allen Teilen der Welt kamen Lobbyisten, wohltätige Privatleute, Sozialisten und Kommunisten, "progressive" Unternehmer, Träumer und Visionäre. Solche Gruppen haben nicht selten entgegengesetzte Interessen. Die Gewerkschaften reicher Länder fordern zum Beispiel Umwelt- und Sozialstandards im Welthandel, aber vielen Armen in der Dritten Welt würde das schaden. Ist diese bunte Truppe also wirklich der Beginn eines "neuen Internationalismus", wie ihn der Chef des US-Gewerkschaftsbundes AFL-CIO, John Sweeney, dieses Jahr in Davos heraufbeschwor?

Zumindest eint sie eine beißende Kritik an der bestehenden Weltwirtschaftsordnung. Demnach haben es Globalisierung und weltweites Wirtschaftswachstum nicht geschafft, die Armut in der Welt zu lindern. Sie vergiften aber im Riesentempo unseren Planeten. Nicht mal die "Gewinner" sehen dabei glücklich aus: Menschen in reichen Ländern haben Angst um ihren Arbeitsplatz, arbeiten zu viel, verarmen geistig in einer Welt voller Konsumkult und der Gier nach immer mehr Geld. Wenn schon weltweit wirtschaften, dann sollte das im Dienst eines erfüllten "guten Lebens" stehen, und zwar für alle. Freie Märkte allein schaffen das nicht.

Der Knackpunkt ist der Weg ins Paradies. Sieht man von einigen exzentrischen Forderungen ab (Weltrevolutionen, sozial-ökologische Diktaturen, ein Sofortstopp des Welthandels), dann wünscht sich eine Vielzahl der Gruppen schlicht und einfach starke Staaten zurück. Diese sollen den weltweiten Märkten Grenzen setzen und sich um Wohlstandsverteilung und Umweltschutz kümmern.

Anders als manche Vordenker in Davos mögen sich die Delegierten von Porto Alegre nicht darauf verlassen, dass Unternehmen, Nationalstaaten (und die NGOs selber) irgendwann eine neue Weltordnung auf freiwilliger Basis errichten. Und auf einsichtige Konzernchefs hofft erst recht keiner. Mit anderen Worten: Global Governance ist gefragt - ein Netzwerk aus gestärkten Regierungen, Behörden in aller Welt, internationalen Institutionen, die das Gemeinwohl notfalls auch mit Druck durchsetzen können. Eine große Zahl der NGOs sieht eine ihrer wesentlichen Aufgaben darin, die Politiker ihrer Herkunftsländer in diese Richtung zu bewegen.

Andere Gruppen warnen grundsätzlich vor dem Dialog mit Konzernen und Regierungen. Er berge die Gefahr der "Kooption" - der Vereinnahmung und letztlich des Verrates der eigenen Ziele. Es ist also abzusehen, dass sich die Antiglobalisierungsbewegung weiter in "Realos" und "Fundis" spaltet.

Deshalb werden Straßenproteste auch in Zukunft eine Rolle spielen - denn gerade angesichts der vielen Gegensätze stiften sie der Bewegung ein Gemeinschaftsgefühl und sorgen außerdem für die erwünschte Aufmerksamkeit. "Das ist keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung", sagt der Ökonom Walden Bello, eine der prominentesten Figuren der Globalisierungsgegner.

 

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