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Berichte

Europäisches Sozialforum in Florenz

Vom 7. bis 11. November findet in Florenz das erste Europäische Sozialforum statt. Die Vorbereitung läuft, aber bisher haben sich kaum radikale Basisgruppen und -netzwerke eingeschaltet. Die Gründe sind teilweise nachvollziehbar, aber das Forum ist zu wichtig, um sich die Möglichkeit entgehen zu lassen Eckpunkte radikal antikapitalistischer und gesellschaftsverändernder Politik zu setzen.

(von Monik)

Vom 7. bis zum 10. November 2002 findet in Florenz das erste Europäische Sozialforum statt (Infos unter www.esf-fse.org) Das Motto ist "Gegen Krieg und Neoliberalismus", was sich einerseits vom Motto des Weltsozialforums "Eine andere Welt ist möglich" angenehm durch seine Konkretheit und die eindeutige Antikriegshaltung abhebt, mir aber andererseits wenig behagt, weil ich keine Freundin des Begriffes Neoliberalismus bin, der mir politisch zu ungenau ist und als Kampfbegriff zu wenig weitgehend erscheint (wie wäre es mit "kapitalistischer Globalisierung"?). Ich will hier versuchen, den schwierigen Spagat zwischen einem Info- und Mobilisierungsartikel (denn ich bin selbst an der Vorbereitung zu diesem Sozialforum beteiligt) und meiner kritischen Haltung zu eben diesem Prozess hinzubekommen.

Um am Anfang anzufangen: Auf dem Weltsozialforum, wo sich Anfang Februar in Porto Alegre in Brasilien zwischen 60 000 und 80 000 Menschen trafen (meine Eindrücke und Einschätzungen dazu könnt ihr unter "Zwischenbericht vom Weltsozialforum,1 bis 4" auf indymedia nachlesen) wurde beschlossen, das ganze Konzept zu dezentralisieren, indem auf allen Kontinenten eigene Sozialforen angeschoben werden. Die sollen sowohl Vorbereitung für das nächste Weltsozialforum sein, als auch eigenständige Diskussionsforen.

Grundsätzlich halte ich es für eine ausgezeichnete Idee, neben den üblichen gipfelstürmerischen Tätigkeiten Treffen zu organisieren, auf denen sich diese zusammengewürfelte Ansammlung von Bewegungen und Organisationen, die da "globalisierungskritische Bewegung" genannt wird, darüber klar wird, was für Gemeinsamkeiten und Trennlinien in den Kämpfen existieren, an welche Gegen- oder Neuentwürfe zum hegemonialen Kapitalismus wir uns heranwagen. Auch, dass die ersten zwei Treffen dieser Art in Brasilien stattfanden und nicht in Europa oder den USA ist eine erfreuliche Entwicklung, weg vom üblichen Metropolenzentrismus. Aber schon in Porto Alegre war deutlich zu erkennen, wo die Probleme bei einer solchen Monsteransammlung von Menschen und Themen liegen. An die Öffentlichkeit gelangt oft nur das, was diejenigen mit den besten Pressekontakten dort unterbringen. Radikale Bewegungsansätze gehen unter, was zum Teil auf Selbstmarginalisierung zurückzuführen ist, aber eben auch damit zu tun hat, dass die Interessen der verschiedenen Bewegungsströmungen teilweise sehr unterschiedlich sind, wenn es um radikale Veränderung der herrschenden Verhältnisse geht. Die Umarmungsstrategien von Seiten der Herrschenden sind wahrlich nicht allen gleich unangenehm (wobei die Plattheit und Dreistigkeit mit der z. B. Schröder globalisierungskritische Stimmen als Frühwarnsystem zur Rettung der sozialen Marktwirtschaft willkommen hieß, schwer zu bemänteln sind).

Sowohl bei den internationalen als auch beim 1. deutschlandweiten ESF-Vorbereitungstreffen in Hannover (demnächst gibt´s auch eine eigene Website für D-land: www.dsf-gsf.de) wurde deutlich, dass es hauptsächlich finanzstarke und gut organisierte Gruppen und Organisationen sind, die sich am mühsamen Vorbereitungsprozess beteiligen. Parteien und Gewerkschaften sehen hier die Möglichkeit Anschluss an die Bewegung zu suchen. Dagegen spricht nicht grundsätzlich etwas. Wer die Gesellschaft grundlegend verändern will, wird sich mit vielen unterschiedlichen Ansätzen herumplagen müssen. Aber die hierarchischen Strukturen von Parteien und Gewerkschaften, die es sich leisten können ?Hauptamtliche? zu solchen Treffen zu schicken, sind viel besser dafür geeignet z. B. rechtzeitig ausgefeilte Programmvorschläge vorzulegen, als Netzwerke, wie Peoples Global Action oder No-Border-Network. Auch Attac ist mit genügend Know-How und Geld ausgestattet, und muss sich nicht um die Unterbringung von Attac-Positionen im ESF-Programm sorgen. Und es ist auch nicht sonderlich inspirierend sich immer wieder von ParteienvertreterInnen anzuhören, wie wahnsinnig wichtig es sei, dass Parteien auf dem ESF selbst in Erscheinung treten dürfen. Das war in Porto Alegre nicht möglich, wurde aber auf Vorschlag der italienischen Vorbereitungsgruppe (in Italien ist die Rifundazione Communista sehr aktiv in der Bewegung) für Europa aufgehoben, mit der Vorgabe in den jeweiligen Ländern gemeinsam zu entscheiden, welche Parteien teilnehmen können sollen und welche nicht.

Aber im Grunde genommen ist das ein Nebenkriegsschauplatz. Es geht darum, Räume auf dem ESF zu öffnen, die es Basisbewegungen ermöglichen eigenständig an Themen zu arbeiten bzw. aus den ihnen eigenen Strukturen heraus in die Diskussion einzugreifen. Nicht, wie in Porto Alegre im Rahmen eines abgesonderten Jugendcamps, in dem wir uns zwar sehr radikal fühlen konnten, aber doch relativ unter uns blieben und außerhalb kaum wahrgenommen wurden. Sondern auch auf den großen Konferenzen und Seminaren. Dazu ist es jedoch auch nötig, sich die Arbeit zu machen in diesen Prozess einzugreifen. Wie wäre es z. B., wenn das No-Border-Network eine Konferenz zum Thema Migration organisieren würde? Das wurde in allen bisherigen Vorbereitungstreffen als ganz wichtiges Thema hervorgehoben, genau so, wie sich alle immer einig waren, dass die Basisbewegungen zu spärlich vertreten sind. Endgültig entschieden wird über das Programmgerüst für das ESF vom 12. Bis zum 14. Juli in Thessaloniki, nächstes deutschlandweites Treffen ist dann am 3. August in Hannover. Bisher haben sich nur Leute von der Europäischen Sozialen Consulta entschlossen, tatsächlich Programmvorschläge einzubringen. Aber selbst wenn das alles zu nervig und zu kurzfristig ist, gibt es auch noch die Möglichkeit bis zum 15. September Workshops anzumelden, und sie eigenständig zu organisieren. Und an Ort und Stelle wird in Florenz sicher auch Einiges entstehen. Wir sollten uns jedenfalls die Initiative nicht aus der Hand nehmen lassen, bei einem Event, wo mehrere 10.000 Menschen anwesend sein werden klare Eckpunkte radikal antikapitalistischer und gesellschaftsverändernder Politik zu setzen.

 

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