Pressespiegel
Der Spiegel
Spiegel, 28.1.2003
30.000 Demonstranten gegen Irak-Krieg
Porto Allegre/Los Angeles - Rund 30.000 Teilnehmer des Weltsozialforums im
südbrasilianischen Porto Alegre haben am Montagabend gegen einen möglichen Irak-Krieg
demonstriert. Außerdem richtete sich die Kundgebung gegen die von den USA propagierte
amerikanische Freihandelszone (FTAA). "Kein Angriff auf den Irak" stand auf
Transparenten.
Die FTAA erlaube multinationalen Konzernen die Ausbeutung Lateinamerikas, erklärten
Aktivisten. Später würden Umwelt- und Arbeitsschutzgesetze auch in den USA aufgeweicht.
Der amerikanische Schauspieler Danny Glover forderte die Abschaffung des
Weltwährungsfonds (IWF), der Weltbank und der Welthandelsorganisation (WTO). Der
amerikanische Linguist und Philosoph Noam Chomsky erklärte, der Neoliberalismus sei
"ein neuer Weg der Öffentlichkeitskontrolle, die früher mit Militärputschen mit
US-Unterstützung und Diktaturen erreicht wurde".
Demonstrationsteilnehmer aus der Türkei kritisierten Zusagen der USA über
Milliardenhilfen für die angeschlagene türkische Wirtschaft im Gegenzug für die Zusage,
türkisches Gebiet für einen Angriff auf den Irak nutzen zu dürfen. Das Weltsozialforum
ist der Gipfel der Globalisierungskritiker, eine Gegenveranstaltung zum
Weltwirtschaftsforum in Davos.
Auch 40 Nobelpreisträger aus den USA haben eine Erklärung gegen einen Irak-Krieg
unterzeichnet. Ein einseitiger Präventivangriff seitens US-Truppen untergrabe die
Sicherheit und das weltweite Ansehen des Landes, erklärten die Unterzeichner. Die
Erklärung sollte am Dienstag am Wohnsitz eines der Chemienobelpreisträger von 1998,
Walter Kohn, im kalifornischen Santa Barbara veröffentlicht werden.
Ein Angriff ohne Mandat der Vereinten Nationen könne zwar schnell zum Sieg führen,
die langfristigen Konsequenzen könnten für die USA aber schädlich sein. Die
"medizinischen, wirtschaftlichen, die Umwelt betreffenden, moralischen, geistlichen,
politischen und rechtlichen Folgen eines amerikanischen Präventivangriffs auf den Irak
würden Sicherheit und Ansehen der USA in der Welt untergraben, nicht schützen",
heißt es in der Erklärung.
Zu den Unterzeichnern zählt unter anderen Hans Bethe, der Träger des Preises für
Physik 1967, der als Mitglied des Manhattan-Projekts am Bau der ersten Atombombe beteiligt
war. Friedensnobelpreisträger und Ex-Präsident Jimmy Carter hat seine Unterschrift
bislang nicht unter die Erklärung gesetzt. Kohn erklärte, Carter sei kontaktiert worden,
und weitere Nobelpreisträger könnten sich der Erklärung anschließen.