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Gegengipfel

Seit Freitag treffen sich Globalisierungskritiker aus aller Welt in Bombay. In diesem Jahr dürfte sich die Zukunft des Weltsozialforums entscheiden

Wahrscheinlich gibt es für das jährliche Gipfeltreffen der Globalisierungskritiker, das Weltsozialforum (WSF), keinen besseren Veranstaltungsort als Bombay: Arm und Reich liegen so eng beeinander wie sonst kaum irgendwo auf der Welt. In Bombay findet sich der mit schätzungsweise einer Million Einwohnern größte Slum Asiens – zugleich leben in der Stadt mehr Dollarmillionäre als in ganz Deutschland. In Bombay – seit 1995 offiziell Mumbai – lassen sich alle Facetten der Globalisierung besichtigen: Die funkelnden Hochhäuser der internationalen Banken und Versicherungen, die größte Filmindustrie der Welt; und direkt daneben Menschen, die zwar nicht Opfer der Globalisierung sind, aber doch keinen Nutzen von ihr haben.

Bis zu 100.000 Teilnehmer aus aller Welt – darunter ein paar hundert Deutsche – werden ab heute zum vierten Weltsozialforum erwartet. Eine ganze Reihe alternativer Stars ist angereist: die indische Schriftstellerin Arundhati Roy, der französische Bauernführer Jose Bové, die UN-Flüchtlingskommissarin Mary Robinson, der ehemalige Weltbankmanager Joseph Stiglitz, die iranische Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi und, und, und. Dazu Politiker von extrem-links bis sozialdemokratisch, Gewerkschafter, Kirchenleute, Umweltschützer. Auf mehr als tausend Konferenzen, Seminaren und Workshops soll bis kommenden Mittwoch über Ziele, Visionen und Aktionen der globalisierungskritischen Bewegung gesprochen werden.

Zum ersten Mal seit Gründung 2001 trifft sich das WSF nicht im brasilianischen Porto Alegre, und der Ortswechsel wird Auswirkungen auf die Veranstaltung haben. Teilnehmer aus Asien und Afrika, für die bisher die Anreise finanziell fast unmöglich war, werden jetzt stärker repräsentiert sein. In Porto Alegre hatte es einen steten anti-amerikanischen Grundton gegeben (was bei den historischen Erfahrungen der Südamerikaner im „Hinterhof der USA“ aber auch nicht verwunderlich war). In Bombay dagegen werden sich neue Themen in den Vordergrund drängen, etwa der Kasten-Rassismus, der Hindu-Nationalismus oder der in Indien populäre Kampf gegen die Patentierung von Pflanzen durch internationale Großkonzerne.

Erstmals gibt es in diesem Jahr eine Gegenveranstaltung zum WSF, das ja seinerseits die Gegenveranstaltung zum jährlichen Weltwirtschaftsforum im Schweizerischen Davos ist: Weil das WSF auf dem Prinzip der Gewaltfreiheit beharrt und bewaffnete Organisationen von dem Gipfel verbannt hat, halten anarchistische und militante Gruppen unter dem Namen „Mumbai Resistance“ ein eigenes Treffen ab. Die Hauptveranstaltung „entschärft den Kampf gegen imperialistische Globalisierung“ und „kanalisiert den Dissens auf Wege, die für die großen kapitalistischen Mächte akzeptabel sind“, zürnen sie.

Vermutlich wird sich in Bombay die Zukunft des Weltsozialforums entscheiden. Seit dem Auftakt 2001 mit gut 10.000 Teilnehmern ist es rasend schnell gewachsen. Schon im vergangenen Jahr war die Vielzahl der Einzelveranstaltungen nicht mehr zu überschauen. Auf den großen Foren ließen sich die Stars der Bewegung feiern. In den kleinen Workshops durfte jedermann und jedefrau sein Anliegen vorstellen. Es kam eine Vielzahl neuer Kontakte zustande, alle tauschten Erfahrungen aus und erfreuten sich aneinander – aber außer den Abschlussresolutionen gab es keine konkreten Ergebnisse. Weder in den inhaltlichen Positionen, noch bei den strategischen Konzepten entwickelte sich die Bewegung qualitativ weiter. Stattdessen gewinnen alt-kommunistische Gruppen an Einfluss. Wichtigster Erfolg ist noch die gestiegene Aufmerksamkeit der Weltmedien an dem Mega-Event. Auch innerhalb der Bewegung wird diese Entwicklung inzwischen kritisiert. Ob die Organisatoren des Gipfels daran etwas ändern können, muss sich in diesem Jahr zeigen.

(Von Toralf Staud für Zeit.de)

 

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