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Berichte

Bericht vom 4.Weltsozialforum vom 16.-22.01.04 in Mumbai (Bombay) / Indien

1) Allgemeines zum Weltsozialforum

Nach den ersten drei Weltsozialforen in Porto Allegre (Brasilien) war dieses 4. Weltsozialforum  schon deshalb anders, weil es deutlich von seinem indischen Kontext geprägt wurde. Dieser andere Kontext brachte nicht nur neue Themen mit sich, er gab dem Forum auch durch die sehr lebendig und kämpferisch auftretenden indischen Bewegungen und NGOs seinen eigenen Charakter. Au ch die 16 Millionenstadt Mumbai mit ihren großen sozialen (der größte Slum Asiens befindet sich dort) und ökologischen Problemen ( ständiger Smog des chaotischen Verkehrs, immense Müllentsorgungs- und Abwasserprobleme etc) prägte das Treffen mit.

„Karneval der Marginalisierten“, „many colours, much dust“ so die Titel in den indischen Zeitungen zum WSF. „Ein Festival der Hoffnungen“, „Treffen einer internationalen Regenbogenbewegung“, „unser Mekka“- so fassten Frauen einer indischen Frauenbewegung ihr Verständnis des WSF in Worte und Bilder.

In der Tat –viele der ca. 90 000 Teilnehmer aus 136 Ländern ( ca. 250-300 aus Deutschland) befanden sich vor allem auf den Straßen und Plätzen des Tagungsgeländes, einem ehemaligen Industriekomplexes mit großen Hallen und kleineren aus Stoff errichteten Räumen, um tanzend, singend, rufend, trommelnd, mit phantasievollen Transparenten und Kostümen, mit Straßentheater und Musik ihre Botschaften an die anderen weiterzugeben. Der Eröffnungsabend auf einem riesigen Platz war besonders eindrucksvoll. Stundenlang zogen die Gruppen ein – Dalits, Adivasis, Frauengruppen aus Indien, Mönche aus Tibet, Antikriegsaktivisten aus Südkorea, Protestgruppen gegen Atomversuche aus dem Pazifik und viele mehr.. Eigentlich hätte es kein Programm auf der Bühne mehr gebraucht, die Menschen auf dem Platz schufen sich ihre eigene Bühne, sie erklärten sich mit ihren Anliegen zu den Hauptpersonen des Forums. Was nicht ausschloss, dass später die prominenten Vertreter der internationalen Globalisierungskritiker ( Arunthati Roy, Vandana Shiva, Walden Bello, sowie die Friedensnobelpreisträgerinnen Mary Robinson und Shirin Elvadi) doch noch ihren Beifall bekamen. Besonders Arunthati Roy, die dazu aufforderte, dass die globalisierungskritische Bewegung nicht nur reden, sondern auch handeln solle, z.B. indem sie zwei Konzerne, die besonders vom Irakkrieg profitieren, in Visier nehmen und sie dazu bringen solle, „aufzugeben“ ( „shut them down“). Das hat sicher auch den Aktivisten der Gegenveranstaltung „Mumbai resistance“- ein Forum der dogmatischen Altlinken gefallen- , die gegenüber des Veranstaltungsgeländes ihr eigenes kleines Forum abhielten, weil das Weltsozialforum angeblich durch die NGOs des Westen dominiert sei, die wiederum alle von den Mächtigen bezahlt und gesteuert seien.

Diesen Verdacht hat das Forum jedoch sehr eindrücklich wiederlegt. Die großen Hallen mit den eher akademisch geprägten Veranstaltungen der größeren NGOs zu den mehr klassischen Themen wie Welthandel, internationale Finanzmärkte etc. waren oft nur zu einem Drittel gefüllt, während sich draußen die Menschen drängten oder in kleine Workshops gingen, wo sie mitreden und ihre Erfahrungen mit den Au swirkungen der Globalisierung einbringen konnten.

Wie auch in den vergangenen WSFs war auch diesmal schon vorher in der „Grundordnung“ des WSF festgelegt, dass es keine gemeinsame Erklärung des WSF geben werde und keine gemeinsamen Beschlüsse, was angesichts der Menge und Vielfalt der Themen und Teilnehmer auch nicht realisierbar gewesen wäre. Möglich waren lediglich Erklärungen einzelner Veranstaltungen, die jedoch kaum vorkamen.

Wie auch bei den vergangenen WSFs waren Politiker allenfalls als Privatpersonen erwünscht. Der Versuch eines hochrangigen indischen Politik, sich auf dem Forum eine Bühne für seine Person und seine Politik zu schaffen, ging ziemlich daneben. Als er kritisch zu einigen Missständen zur Rede gestellt wurde, verließ er das Forum wieder fluchtartig.

Das Verhältnis der ( eher europäisch-lateinamerikanischen) „Debattenkultur“ und ( eher asiatischen) „Basiskultur“ wurde  von einigen kritisch bewertet, sie seien nicht miteinander vernetzt worden, vielleicht sogar nicht vernetzbar. Ich selbst fand das Verhältnis unproblematisch (obgleich mancher Workshop durch die Lautstärke der nebenan trommelnden Dalits unterbrochen werden musste) und halte beide Kulturen für notwendige sich ergänzende Seiten einer großen Bewegung. Jedoch halte ich die Kritik für berechtigt, die von europäischen und lateinamerikanischen NGOs organisierten Großveranstaltungen seien nicht partizipativ genug gewesen, für durchaus berechtigt. Die Mehrheit der Besucher wollte mehr als die Aneinanderreihung von bekannten Analysen, sie wollten ihre Erfahrungen einbringen und diskutieren. Die indische „Basiskultur“ ist mir sicher auch durch den unmittelbar vorangegangenen Besuch bei indischen Basisgruppen und Projektpartnern näher gewesen als manchen europäischen oder amerikanischen Teilnehmern, die sich durch die Geräuschkulisse eher gestört fühlten. Ohne Zweifel aber hat der lebendige und kämpferische Geist der Basisbewegungen dem ganzen Treffen sein ganz besonderes Gepräge gegeben. Mich hat es beeindruckt und ermutigt, mit wieviel Power, Selbstbewusstsein und Hoffnung diese Gruppen auftraten.

Beachtlich war auch die organisatorische Leistung des internationalen und des örtlichen Vorbereitungskommitees. Immerhin war der größte Teil des Programmes ( 1400 Veranstaltungen!) schon vorher im Internet abrufbar. Das komplette Programm war bereits am zweiten Tag auch in einem dicken Programheft erhältlich. Die Qual der Wahl war groß, in den Zeitblöcken von 9-12 Uhr, 13-16 Uhr, 17- 20 Uhr gab es mitunter bis zu 100 Parallelveranstaltungen. Konsequent waren die Veranstalter auch in der Vermeidung jeder Kommerzialisierung. Produkte wie Cola und Flaschenwasser von Coca Cola oder anderen Multis, Fast Food-Ketten sowie kommerzielle Verkäufer von Souveniers waren auf dem Gelände nicht zugelassen. Indische Selbshilfegruppen boten kleine indische Snacks, fair gehandelten Kaffee oder Tee oder ihre handwerklichen Produkte an. Die Motoradrikschafahrer Bombays machten vermutlich das Geschäft ihres Lebens, denn sie brachten den größten Teil der Besucher auf ihren halsbrecherischen Fahrten zum Campus oder zurück in die Hotels der Stadt.

2) Themenschwerpunkte

Bei der Pressekonferenz der Abschlussveranstaltung wurden drei Themenschwerpunkte benannt, die im Vergleich mit Porto Allegre neu gewesen seien bzw. ein besonderen Stellenwert hätten:

  • Gender- und Frauenfragen
  • Probleme der Au sgeschlossenen (Dalits)
  • Religiöser und politischer Fundamentalismus

Frauen – und Genderthemen

In der Tat waren die Frauenthemen im Programm besonders stark vertreten. Von den ca. 1400 Veranstaltungen waren mindestens 1/3 solche, die von Frauengruppen zu Frauenthemen veranstaltet wurden. Das kommt sicher auch daher, dass es in Indien viele Gruppen und NGOs gibt, die Frauenempowerment betreiben. Angesichts der trotz aller politischen Gleichberechtigung an vielen Stellen immer noch untergeordneten Stellung der Frau in der indischen tradionellen Kultur, angesichts der hohen Analphabetenrate unter Frauen, der „Mitgiftmorde“, der Abtreibungen von weiblichen Föten, Tötung von weiblichen Säuglingen, der Witwenverbrennung etc. erklärt sich das starke Engagement in diesem Bereich.

Aber nicht nur die Frauengruppen Indiens zeigten sich aktiv und kämpferisch. Au ch die internationale Frauenbewegung war stark vertreten. Besonders am zweiten Tag, bei dem alle Frauen zu einer großen Demo unter dem Motto „Frauen gegen den Krieg- Krieg gegen die Frauen“ aufgerufen waren. Bei der anschließend  Kundgebung mit ca. 30 000 Frauen und auch vielen Männern sprachen die Frauen auf dem Podium über den Zusammenhang von zunehmender Militarisierung und Gewalt gegen Frauen . Eine Sprecherin von Amnesty International z.B. machte deutlich, dass das nicht nur Frauen in Krieggebieten beträfe, sondern auch in der westlichen Welt. In Westeuropa z.B. ist die Todesrate von Frauen, die durch häusliche Gewalt bedingt ist, erschreckend hoch, sie ist die höchste Rate unter den durch Dritte verursachten Todesfälle - höher als die Rate der durch Verkehrsunfälle bedingten Todesfälle. Gewalt gegen Frauen – so das Credo vieler Veranstaltungen- dürfe nicht länger tabuisiert werden.

Beeindruckend war für mich nicht nur die enorme Mobilisierung, die die Frauen in Mumbai leisteten, sondern auch die Phantasie und Kompetenz, mit der sie ihre Veranstaltungen durchführten. Z.B. besuchte ich einen Workshop zum Thema „Gewalt gegen Frauen in den Medien“, bei dem von der für jede Teilnehmerin bereitgestellte Tagungsmappe mit allen Inhalten des Workshops, bis hin zu den eingesetzten Medien ( Film, Werbungssequenz, Zeitschriften etc.), der Methodenvielfalt und der Partizipation inhaltlich und methodisch einfach alles stimmte. Dagegen kamen manche von Männer dominierten Veranstaltungen über eine Aneinanderreihung von Vorträgen mit ähnlichen Inhalten nicht hinaus, was die Zuhörer/innen sichtbar strapazierte und frustrierte. Ich war beeindruckt, wie leicht und schnell in den Frauenworkshops Frauen aus verschiedenen Kulturen ins Gespräch kamen und mit welchen konkreten und praktischen Tipps diese Treffen oftmals endeten. Z.B. wurde der kleine Workshop „Wasser und Frauen“ zur weiteren Vernetzung mit einem allgemeinen Au stausch von e-mail-Adressen, Infomaterial und wichtigen Web-siten abgeschlossen.

Interessant war auch der vom EED am Rande des WSF organisierte Au stausch zwischen der Staatsministerin des auswärtigen Amtes Kerstin Müller (Die Grünen) mit Vertreterinnen indischer NGOs und Frauengruppen, der von den indischen Frauen ganz offensiv für ihre Anliegen genutzt wurden. Die Staatsministerin hatte sichtliche Mühe, die hohen Erwartungen der Frauengruppen abzuwehren ( O-Ton einer Frau „ Au ch wenn Sie heute nicht als Politikerin hier in Bombay sind, sind Sie doch immer noch wie wir eine Feministin“), verhielt sich am Anfang noch sehr reserviert, taute dann aber im Laufe des eineinhalbstündigen Gespräches auf und ließ sich von den Frauen über Probleme informieren, die ihr auf dem politischen indischen Parkett sicher nicht begegnen.  

Fundamentalismus

Dieses Thema war ebenfalls durch den indischen Kontext geprägt. Fundamentalismus in seinen vielen Formen ( religiöser und politischer) wurde in vielen Veranstaltungen angeprangert und als Ursache für Gewalt und Krieg benannt. Zum Beispiel von Arunthati Roy der religiöse Fundamentalismus im Hinduismus (Hindufaschismus) und immer wieder der politische Fundamentalismus der US- Regierung.  

Ausgeschlossene (Dalits)

Nicht nur auf den Straßen und Plätzen fielen die Dalitgruppen ( die sog. Kastenlosen) mit ihren lautstarken Märschen auf, ihre Probleme wurden auch in zahlreichen Workshops verhandelt. Trotz politischer Gleichstellung, trotz politischer Programme zur besonderen Förderung der Dalits, sind diese im alltäglichen Leben immer noch vielen Diskriminierungen ausgesetzt, sie stehen auf der untersten Stufe der gesellschaftlichen Rangordnung, sie stellen den größten Anteil der Armen, der Analphabeten etc. Ähnlich gelagert sind die Probleme der Adivasis, der Ureinwohner Indiens, die im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung Indiens ihre ursprünglich naturverbundene Lebensweise in den kaum noch vorhandenen Wäldern nicht mehr praktizieren können.  

Menschenrechte

Das Thema Menschenrechte prägte viele Veranstaltungen. Vor allem die sog. WSK-Rechte, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrecht wurden eingefordert. Zahlreiche Verletzungen dieser Rechte vor allem durch die in vielen Ländern zunehmenden Privatisierungen sozialer Grunddienste wie Bildung, Gesundheitswesen, Wasserversorgung etc. wurden ausgetauscht und angeprangert. Hier wurde immer wieder die Politik der Weltbank, des IWF und der WTO und die in ihnen vertretenen mächtigen westlichen Länder als menschenrechtsverletzend kritisiert . Indien selbst mit seiner inzwischen starken neoliberalen Politik ist ein Beispiel dafür, wie trotz 6 % Wirtschaftswachstum die grundlegenden Rechte auf Zugang zu Nahrung, zu Wasser, zu Bildung und zur Gesundheitsfürsorge ständig und zunehmend verletzt werden. EED- Partner berichteten uns, wie bis in die kleinen Orte hinein staatliche Schulen nach und nach heruntergewirtschaftet und geschlossen werden, dafür aber teure private Schulen aus dem Boden schießen- in denen jedoch die Lehrer/innen oftmals nicht mal die Mindestlöhne bekommen...

Der EED veranstaltete zwei Workshops zu der Frage, mit welchen Mitteln und Strategien diesen WSK-Rechte mehr Macht und Bedeutung verliehen werden kann und wie die dazu nötigen Vernetzungen bewerkstelligt werden können. Hier spielte besonders die UN- Menschenrechtskonvention, die Menschenrechtsberichte der Unterzeichnerstaaten, das Recht der NGOs für Parallelberichte und die Erfolge in der Justitiabilität der Menschenrechte eine Rolle.  

Wasser

Das Thema Wasser wurde ebenfalls in vielen Workshops behandelt. Eine Woche vor dem WSF fand das „People World Water Forum“ in Delhi statt, das von über 300 Wasser- Aktivisten/innen aus 56 Ländern besucht war. Diese Forum war u.a. von Vandana Shiva forciert worden und bot einen eindrucksvollen Überblick über die weltweiten Widerstände der Zivilgesellschaft gegen Wasserprivatisierungen, gegen sozial und ökologisch sehr zweifelhafte Vorhaben wie Riesenstaudämme, Flussverbindungen, zu den Folgen des „Water-mining“ der Flaschenwasserkonzerne ( darunter auch Coca Cola). Aber auch zu alternativen Ansätzen von Wasserschutz, Wasserrecht, Wassermanagement, Qualitätsbewahrung etc. gab es Arbeitsgruppen.

Ich selbst durfte mit Brot für die Welt an diesem Forum für eineinhalb Tage teilnehmen und konnte als ein Beispiel aus Europa die lokalen Kasseler Erfahrungen von der vorläufig erfolgreichen Verhinderung der Privatisierung der Wasserversorgung vortragen. Am Ende des PWWF wurde eine Erklärung verabschiedet, die auch in Veranstaltungen des WSF eingebracht wurden .

Brot für die Welt hat außerdem vor und nach dem PWWF sog. „Fact-Finding-Missions“ durchgeführt und dort die Folgen der „River-Linkings“, der „Water-minings“ durch Coca Cola und eines Dammprojektes untersucht und wird die Ergebnisse dokumentieren.

Die Wasserproblematik tauchte dann auch interessanterweise in den Diskussionen bei den unmittelbar an das PWWF anschließenden Delegationsbesuchen bei den EED- Partnerorganisationen auf. Bis in die ländlichen Gebiete hinein sind die Folgen der Privatisierung zu spüren. Die ländlichen Gebiete leiden sehr unter der schlechten Wasserqualität und zunehmend unter den Preissteigerungen bei den privaten Wasserunternehmen. Die EED-Partner, die wir besuchten, bekommen noch ihr Wasser aus staatlicher Hand und verwalten es eigenständig und sehr erfolgreich. Die Landwirtschaft, die sie betreiben, ist vorbildlich für die ganze Region. Jedoch besteht die große Sorge, was passiert, wenn das Wasser auch hier privatisiert wird. Indien steht z.Z. an einem kritischen Punkt, da es bei den GATS-Verhandlungen seine Wassermärkte bereits zur völligen Öffnung für den freien Markt angeboten hat. Wenn dieses Abkommen wie geplant 2005 unterzeichnet wird, ist diese Entwicklung nicht mehr aufzuhalten. Die indischen NGOs mobilisieren deshalb ganz besonders und haben deshalb auch das WSF als Bühne für ihren Widerstand eindrucksvoll genutzt.

Beim WSF habe ich von den vielen Wasserveranstaltungen nur zwei besuchen können.

Die eine zweiteilige wurde von Brot für die Welt zum Thema „Wasser ist ein Menschenrecht“ veranstaltet. Dort wurde von den Ergebnissen der Fakt-finding-Missions berichtet und zur Rolle der Weltbank referiert. Im zweiten Teil ging es darum, mit welchen rechtlichen und politischen Instrumenten und Strategien das Menschenrecht auf Zugang zu Wasser realisiert werden kann. Dazu sprach ein indischer UN-Menschenrechtsexperte. Neben dieser Strategie von Nutzung rechtlicher Möglichkeiten wurde immer wieder die Bedeutung des politischen Drucks der Zivilgesellschaft auf die lokalen Regierungen benannt, damit diese ihre Verpflichtungen zu Respektierung, zur Verteidigung und zur Erfüllung der Menschenrechte nachkommen ( obligation to respect, to protect and to fulfill) und wiederum Einfluss auf die Weltbank ausüben, die die Privatisierung der Wasserversorgung mit großem Druck vorantreibt und dabei mit Androhung von Strafmaßnahmen (Verweigerung von Krediten) nicht zögerlich ist. Hier sind vor allem die NGOs im Westen gefordert, ihre Regierungen über die Folgen dieser Weltbankpolitik aufzuklären und eine Änderung der Politik einzufordern.

Die andere Wasserveranstaltung zum Thema „Wasser und Frauen“, an der u.a. Maria Mies (Deutschland) und Maude Below von den sehr stark vertretenen kanadischen NGOs auf dem Podium vertreten waren, machte deutlich, wie vor allem Frauen an den Problemen des mangelnden Zugangs zu Wasser einerseits, aber auch an den Folgen der Privatisierungen andererseits leiden. Noch immer sind die Frauen für die Beschaffung des Wassers zuständig ( in vielen afrikanischen Ländern müssen Frauen 16 x am Tag zur Wasserstelle gehen), übernehmen die Pflege der Familienangehörigen, die durch verseuchtes Trinkwasser erkranken ( 75 % des Trinkwassers in Indien ist krankheitsgefährdend, jedes 6. Kind in Bombay stirbt an den Folgen des Konsums diese Wassers). Diese zeitlich aufwendigen Tätigkeiten nehmen Frauen jede Chance, andere lebenswichtige Einkünfte zu erzielen oder gar ihre eigene Situation durch Weiterbildung zu verbessern.  In vielen Entwicklungsländern gehören Wasserhähne , die nur mit Chips geöffnet werden können, schon zum Alltag. Reicht das Geld nicht für neue Chips ( Männer wollen dafür oft auch kein Geld hergeben) holen die Frauen das Wasser aus belasteten Flüssen, was wiederum die bekannten gesundheitlichen Risiken nach sich zieht. Solche Flüsse zu finden wird jedoch im Zuge der Privatisierung der Flüsse ( oder des Leasings von Flussabschnitten) immer schwieriger, weil solche privatisierten und geleasten Flüsse kurzerhand eingezäunt werden.

Im anschließenden Au stausch unter den Teilnehmerinnen wurde deutlich, dass Frauen nicht nur mehr von den sozialen und ökologischen Folgen der Wasserprivatisierung betroffen sind, sondern sich auch mehr im Kampf um Alternativen engagieren, während die „Macher“ der nationalen und internationalen liberalen Wasserpolitik meistens Männer sind.  

Irakkrieg

Die Verurteilung des Irakkrieges war vor allem bei den Eröffnungs- und Abschlusskundgebungen, aber auch auf den Straßendemos sowie in vielen Veranstaltungen ein Thema. Arunthati Roy bekam für ihre radikalen Vorschläge, es nicht nur beim Reden zu belassen, viel Applaus.  

WTO

Bei einer Veranstaltung, die ich zum Thema WTO besuchte ( u.a. mit Walden Bello und Vandana Shiva) wurde Cancun als großer Erfolg der E- Länder gefeiert. Zur WTO selbst wurde überwiegend eine sehr kritische Haltung vertreten. Die Mehrheit (darunter auch Walden Bello) hält die WTO nicht für reformierbar, Joseph Stieglitz alternativer Nobelpreisträger sprach sich für eine Reform der WTO sowie für einen asiatischen Währungsfond aus. Cancun hat nach meinem Eindruck der globalisierungskritischen Bewegung neues Selbstvertrauen gegeben.

3) Wie geht es weiter mit der Bewegung, mit dem Forum?

Das internationale Komitee, in dem ca. 80 NGOs darunter auch der EED ( in Vertretung für alle kirchlichen ev. Hilfswerke Europas APRODEV) vertreten sind, resümierte, dass es gut war, Indien als Veranstaltungsort zu wählen, weil die großen Debattenveranstaltungen sich totzulaufen drohen und Indien neue Veranstaltungformen etabliert habe.

Ein Teil des Kommitees drängt in Richtung mehr Struktur und Fähigkeit, Erklärungen abgeben zu können, ein anderer Teil wehrt sich vehement und möchte die Au tonomie der Gruppen und die Breite der Themen und Formen erhalten.

Zu den Finanzen: das Forum, das von der Größe mit einem Kirchentag vergleichbar ist, hat nur einen Bruchteil von diesem gekostet: ca. 2,9 Millionen Dollar, 2,6 Millionen wurde durch die Teilnehmerbeiträge und Beiträge der beteiligten NGOs gedeckt, es wurden keine Mittel „kriegsführender Staaten“ (gemeint waren vor allem USA und England) akzeptiert, es bleibt ein Defizit von 300 000 Dollar.

Im nächsten Jahr wird das Forum wieder zeitgleich zum Weltwirtschaftsgipfel in Davos in Porto Alegre stattfinden, danach soll es ein Tagungsort in Afrika sein ( Südafrika oder Kenia)- wobei die nur spärlich repräsentierten afrikanischen Vertreter Sorge haben, ob die Bewegung in Afrika stark genug ist, ein solches Forum auf die Beine zu stellen. Offen ist auch, ob es beim jährlichen Rhythmus bleibt, die Tendenz geht eher in Richtung zweijährigen Rhythmus.

 

Kassel 30.01.04                    Dr. Ruth Gütter

 

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