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Berichte

Solidarität für gute Bildung in der Krise

Unzählige Sprachen schwirren über den Campus der El Manar-Universität in Tunis, das Bedürfnis nach internationalem Austausch beim Weltsozialforum ist enorm. Nach der gestrigen Auftaktdemonstration folgte heute der erste von drei Tagen mit Workshops und Diskussionsforen. Die erste GEW-Veranstaltung stand im Zeichen von guter Bildung in Zeiten der Krise.

(von Anja Heifel (Text) sowie Birte Prpitsch und Manfred Brinkmann (Fotos), GEW)

Arabisch, Französisch, Portugiesisch, Englisch, Spanisch und noch viel mehr – die Sprachenvielfalt auf dem Campus der El Manar-Universität ist gigantisch und bisweilen verwirrend. Sie bringt am Ende eines langen, intensiven Tages sogar die Profis ins Schwitzen: Denis von der Fédération nationale des enseignantes et enseignants du Quebéc „übersetzt“ versehentlich vom Englischen ins Englische.

Auftakt der Workshop-Phase

Es ist der erste von drei Tagen mit Workshops und Diskussionsforen in Tunis. Der Hochschulalltag auf dem Campus scheint außer Kraft gesetzt. Heute wie auch an den beiden kommenden Tagen prägen rund 30.000 GewerkschafterInnen und GlobalisierungsgegnerInnen aus aller Welt das Bild der Universität. Zahlreiche Info-Stände und Zelte laden zum Verweilen ein und bringen die Menschen miteinander ins Gespräch. In drei Veranstaltungsblöcken regen Organisationen zum internationalen Austausch an – über 300 Veranstaltungen sind es allein an diesem ersten Tag.

Babels sorgt für sprachliche Klarheit

Dafür dass sich dabei möglichst alle verstehen, sorgen die ÜbersetzerInnen von Babels, einem internationalen Netzwerk von Freiwilligen, das im Jahr 2002 aus der Vorbereitung zum Europäischen Sozialforum (ESF) hervorgegangen ist. Etwa 9.000 Menschen zählt das Netzwerk mittlerweile, das ohne Hierarchie und feste Strukturen funktioniert. Der Grundgedanke von Babels: Professionelle Übersetzung muss für alle verfügbar sein – auch für Organisationen, die nicht über die entsprechenden finanziellen Mittel verfügen. Auf diese Weise können auch kleinere, zivilgesellschaftliche Grassroot-Organisationen in Diskussionen auf globaler Ebene einsteigen. In Tunis ist die Nachfrage so groß, dass die Babelistas ihr kaum gerecht werden können. Vermutlich kann nur die Hälfte des Übersetzungsbedarfs gedeckt werden. Wer seine Veranstaltung ohne Babels bestreiten muss, findet mit etwas Glück dennoch Freiwillige wie Denis aus Quebec, die spontan vor Ort als ÜbersetzerInnen einspringen – Improvisation ist alles.

Links: Babylonische Sprachenvielfalt beim Weltsozialforum
Mitte: Rund fünfzig Teilnehmer besuchten die Veranstaltung 'Promoting quality education in times of austerity'
Rechts: Der Kanadier Denis Kosseim von der Lehrergewerkschaft FNEEQ-CSN aus Québec half bei der Übersetzung

Gute Bildung in der Krise

Für die GEW steht der erste Veranstaltungstag des Weltsozialforums im Zeichen der Krise. Florian Lascroux (SNES-FSU, Frankreich), Henrique Borges (FENPROF, Portugal), Michael Vasiliadis (OLME, Griechenland) und Gunter Quaißer (GEW) diskutieren über Strategien für gute Bildung in Zeiten der Austerität. Trotz aller Unterschiede haben alle Länder eines gemeinsam: Nachdem die Regierungen die Krise im Bankensektor durch hohe Staatsanleihen abgewendet hat, bezahlt nun der öffentliche Sektor und leidet unter harten finanziellen Einschnitten, insbesondere im Bildungsbereich. Stellenstreichungen und Lohnkürzungen, größere Klassen und Schulschließungen – die Auswirkungen der Sparmaßnahmen sind bereits deutlich zu spüren: Die Arbeitslosenquote steigt drastisch, vor allem unter jungen Menschen. In Griechenland liegt sie bereits bei über 50 Prozent. Auch Barbara Geier von der GEW Hamburg warnt vor den Konsequenzen von Sparprogrammen und zunehmender Privatisierung im öffentlichen Bildungssektor: „Unsere jetzigen Bildungssysteme schaffen soziale Ungleichheit! Es geht dabei nicht nur um kurzfristige finanzielle Entscheidungen, sondern um langfristige gesellschaftliche Prozesse.“ Gefordert sei deshalb nicht nur gute, sondern zugleich kostenlose Bildung für alle.

Links: Zusammen mit der GEW auf dem Podium: GewerkschafterInnen aus Griechenland, Portugal und Frankreich
Mitte: Barbara Geier (GEW Hamburg): „Unsere Bildungssysteme schaffen soziale Ungleichheit."
Rechts: Mit Hilfe einer Übersetzerin beteiligt sich die GEW-Delegation an der Diskussion mit der Lehrergewerkschaft aus Quebéc

Bildung ohne neoliberale Reformen

Auch die Lehrergewerkschaft FNEEQ-CSN aus Québec, mit dem Denis zum Weltsozialforum gereist ist, will den neoliberalen Einflüssen auf das Bildungssystem die Stirn bieten. Ihr Workshop am Nachmittag öffnet dabei den Blick auch in Richtung Hochschule. Frauke Rütter, Jugendbildungsreferentin der GEW NRW, berichtet in der anschließenden Diskussion von der Exzellenz-Initiative deutscher Universitäten, die immer mehr Hochschulen im Kampf um Drittmittel in zweifelhafte Kooperationen mit Wirtschaftsunternehmen oder der Bundeswehr drängt. In Anlehnung an die Studierendenproteste in Kanada erzählt sie auch von den erfolgreichen Protesten gegen Studiengebühren an deutschen Universitäten.

Solidarität ohne Grenzen

Während des GEW-Workshops betont ein Teilnehmer des französischen Gewerkschaftsbundes CGT die Rolle der Gewerkschaften im Kampf für gute Bildung: „Wir müssen die Arbeitnehmerrechte verteidigen. Das ist die Grundvoraussetzung für gute und sozial gerechte Bildung.“ Eine Forderung, die nicht nur für die Schule, sondern für alle Bildungsbereiche gilt. Florian von SNES-FSU appellierte eindringlich an die internationale Solidarität, vor allem unter Organisationen im Bildungsbereich. „Schule bereitet nicht nur auf den Beruf vor“, begründete er. „In einer komplexen Gesellschaft brauchen Schülerinnen und Schüler gute und umfassende Bildung, um gerecht und demokratisch handeln zu können.“

Links: Zahlreiche Gewerkschaften sind auf dem Weltsozialforum vertreten
Mitte: Info-Stände von Verbänden und Organisationen aus der ganzen Welt laden zum Verweilen ein
Rechts: Eine Million Menschen leben in Tunis

 

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