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Weltsozialforum als Chance für Tunesien

Das Weltsozialforum könnte für Gastgeber Tunesien zu einer Chance werden, einen Ausweg aus der Krise zu finden. Soziale und wirtschaftliche Probleme des Landes bestehen aber weiter.

(von APA/sda, Tiroler Tageszeitung Online)

Tunis - Tag für Tag werden die Tunesier im Fernsehen von Bildern der Armut und der Arbeitslosigkeit aufgeschreckt. Jahrelang war diese Realität vom Regime von Zine al-Abidine Ben Ali verschleiert worden. Gleichzeitig scheinen die Menschen die Illusionen an die Entwicklung einer Demokratie „à la tunisienne“ verloren zu haben, die zum Modell für die arabische Welt hätte werden können.
 
Politische Querelen, Regierungsumbildungen und das Fehlen einer Verfassung nagen schwer an der Moral der weitgehend ratlosen Bevölkerung. In diesem Klima der Verunsicherung fängt am Dienstag das größte Treffen der Globalisierungskritiker an. „Dieses Forum könnte dazu beitragen, die Spaltung Tunesiens zu überwinden“, hofft Fathi Chamkhi. Der Universitäts-Professor und Wirtschaftsexperte ist Organisator des WSF 2013 und ein ehemaliger Vertrauter des Links-Politikers Chokri Belaid, der Anfang Februar in Tunis ermordet wurde.
 
Während das Land in einer Situation des Quasi-Bankrotts verharre, und der Internationale Währungsfonds (IWF) damit drohe, ihm sein Diktat aufzuzwingen, könnte die Durchführung eines Anlasses von internationaler Bedeutung den Tunesiern vor Augen führen, dass sie heute bei weitem nicht die einzigen sind, die von der Wirtschaftskrise mit voller Wucht getroffen werden. „Mittel- oder langfristige Strategien existieren hier nicht mehr - wir funktionieren ausschließlich kurzfristig“, sagt der Ökonom und spricht von einem „Engpass“, der das Land „ins Chaos oder in den Bürgerkrieg“ stürzen könnte.
 
Chamkhi wirft den Vermögenden seines Landes vor, die Kapitalflucht gefördert zu haben, indem sie zu Beginn der Revolution ihr Geld von den tunesischen Banken abzogen - ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als Tunesien harte Währungen wie Euros und Dollars gebraucht hätte. Gemäß einer amerikanischen Studie war Tunesien um eine Summe von 34 Mrd. Dollar ausgeblutet worden. Chamkhi kritisiert auch die internationale Gemeinschaft und die EU. Unter dem Vorwand von Freihandelsabkommen hätten sie "Offshore"-Firmen in Tunesien geholfen, von Steuern auf Gewinne befreit zu werden, die im Land selber erzielt wurden.
 
"Die Schulden sind das zentrale Problem", sagt Chamkhi. Darüber hinaus funktioniere das Land mit zwei Währungssystemen: dem Dinar als lokale, nicht konvertible Währung und den starken Währungen. Auch die Schattenwirtschaft sei nicht verschwunden. "Wir beobachten die Bildung von neuen 'Trabelsis'", sagt Chamkhi und spielt dabei auf den Clan der Frau von Zine al- Abidine Ben Ali an, der den ganzen Wirtschaftsapparat des Staates kontrolliert hatte. "Neue Mafia-Strukturen tauchen auf und es wird immer schlimmer."
 
Die Rückkehr der religiösen Themen, die in Tunesien während 50 Jahren aus der öffentlichen Debatte verschwunden waren, ist laut Chamkhi nur eine „Verschleierungs-Taktik“, um die Aufmerksamkeit der Tunesier abzulenken. Gleichzeitig höre die Zivilgesellschaft nicht auf, „ihr Recht einzufordern“, mit dem Gefühl, ihrer Revolution beraubt geworden zu sein. Trotzdem träumten viele Tunesier noch immer von einem friedlichen Übergang in die Demokratie, auch wenn das Auftauchen von Extremisten auf der politischen Bühne die Situation vergifte. Doch „ein anderes Tunesien bleibt möglich“, glaubt auch Chamkhi.

 

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