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Berichte

Globalisierungskritik im Land des Arabischen Frühlings

Zum ersten Mal findet das Weltsozialforum in diesem Jahr in einem arabischen Land statt. Die Erwartungen an das Treffen in Tunis sind dementsprechend groß. Die Organisatoren haben sich für das Motto "Würde" entschieden - und ganz bewusst für das Gastgeberland Tunesien. Das Mutterland des Arabischen Frühlings ist für die Organisatoren der ideale Ort, um Globalisierungskritik mit gesellschaftlichem Wandel zu verbinden.

(von Alexander Göbel, ARD-Hörfunkstudio Rabat)

"Eine andere Welt ist möglich" - bis zum Sturz von Diktator Ben Ali vor etwas mehr als zwei Jahren hätte Mouhiddine Cherbib nicht zu träumen gewagt, dass das berühmte Gründungsmotto des Weltsozialforums einmal so gut in seine Heimat Tunesien passen würde. Nun ist eine andere Welt tatsächlich möglich in Tunesien, und Cherbib gehört sogar zum Organisationskomitee für das 11. Weltsozialforum, das erste in der arabischen Welt.

Ein Banner kündigt in der Hauptstadt Tunis das diesjährige Weltsozialforum an.
"Nach einer Revolution wie der unseren bedeutet das sehr viel", sagt Cherbib: "Dieses Forum ist eine großartige Chance, unsere politischen und gesellschaftlichen Fragen in Tunesien mit Menschen aus der ganzen Welt zu diskutieren und diese Revolution in einen größeren Zusammenhang zu stellen - wir können nachvollziehen, wie etwa die Finanz- und Wirtschaftskrise Staaten im demokratischen Übergang beeinflusst, so wie eben auch Tunesien." So ein Austausch sei vor einigen Jahren noch völlig undenkbar gewesen, sagt er.

Globalisierungskritik vor den Toren der EU

Geht es nach den Organisatoren, dann soll dieses Weltsozialforum mehr sein als ein Aufguss kapitalismuskritischer Antworten auf den Weltwirtschaftsgipfel in Davos. Gewissermaßen vor den Toren der Europäischen Union befassen sich in Tunis zahlreiche Veranstaltungen mit Ursachen und Folgen der Migration. Außerdem rücken die Themen des Arabischen Frühlings in den Mittelpunkt. Der Widerstand gegen autoritäre Strukturen, Ungerechtigkeit und Unterdrückung bekommt eine universelle Bedeutung.

Für Halima Jouini, Vorstandsmitglied der tunesischen Menschenrechtsliga, spielen die Frauen dabei eine große Rolle. Die Frauen hätten sich in dieser Revolution immer sehr stark engagiert, sagt Jouini. "Sie haben sich gegen den Diktator Ben Ali gestellt, und nun wollen sie erreichen, dass die Rechte der Frauen in der neuen Verfassung geschützt und festgeschrieben werden, die Menschenrechte, die Gleichheit der Geschlechter, " betont sie. "Tunesiens Frauen wollen Vorbilder sein für Frauen in aller Welt, dafür kämpfen sie weiter an vorderster Front."

Mehr als 30.000 Teilnehmer aus aller Welt

An dem Treffen nehmen mehr als 30.000 Menschen aus 127 Ländern teil. Sie besuchen ein Land, das nach dem Mord am linken Oppositionspolitiker Chokri Belaid in eine tiefe Krise gestürzt war und sich nun mit einer neuen Regierung mühsam zu stabilisieren versucht - zwischen säkularen und islamistischen Strömungen. Noch immer gibt es keine neue Verfassung, noch immer warten viele Menschen verzweifelt auf eine bessere Zukunft.

"Würde" war zentraler Begriff der Revolution

Dass die Veranstalter das Weltsozialforum in Tunis unter das Motto "Würde" gestellt haben, ist für die Aktivistin Douja Mstiri daher ein wichtiges Zeichen. Denn Tunesien sei überall, sagt Mstiri. "Der Slogan ist für uns sehr wichtig. Er war Teil unserer wichtigsten Forderungen in der Revolution, die lauteten: Brot, Freiheit und Würde", sagt sie.

Heute müssten sie feststellen, dass diese Forderungen nur zum Teil erfüllt wurden, und deswegen kämpften sie weiter. "Es geht uns nicht darum, einfach nur abstrakt den Kapitalismus zu kritisieren - unsere Kritik machen wir fest an der aktuellen Situation unseres Landes, aber auch an globalen Themen wie Umweltzerstörung. Es geht darum, uns zu verändern", bekräftigt Mstiri. Es werde noch Generationen dauern, bis sie Erfolge sehen würden. "Aber nur so retten wir diese Welt. Ich weiß, das klingt utopisch, aber warum sollten wir es nicht einfach versuchen?"


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