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Berichte

Gualberts Leben zwischen zwei Welten

Er wird geduldet, nicht akzeptiert: Gualbert ist einer von Millionen Wirtschaftsflüchtlingen in Europa. Auf dem Weltsozialforum geht es auch um ein würdigeres Leben für Menschen wie den Lehrer aus Niger, der in Holland auf eine bessere Zukunft hofft.

(von Marcel Burkhardt, ZDFheute.de)

Gualbert ist nirgendwo mehr daheim. Er ist hineingestoßen worden in ein Leben zwischen zwei Welten, zwischen Afrika und Europa. Gualbert ist ein Pseudonym, hinter dem sich ein Mann von 50 Jahren verbirgt, der seit 2001 ohne gültige Papiere in den Niederlanden lebt. Dort verdient der studierte Lehrer und Übersetzer aus Niger als Putzmann den Lebensunterhalt für seine Frau und die fünf Kinder, die tausende Kilometer entfernt von ihm leben.

Warum dieser Mann das auf sich nimmt? Weil ihm sein Staat kein Gehalt mehr zahlte, die Reserven aufgebraucht waren ebenso wie die Hoffnung auf einen Aufschwung. Gualbert war kein Kriegsflüchtling, kein politisch Verfolgter. Es war wirtschaftliche Not, die ihn drängte.

Angekommen im gelobten Land, ausgeschlossen von wirklicher Teilhabe
Gualbert ist einer von geschätzt etwa 100.000 Menschen, die ohne gültige Papiere in den Niederlanden leben. Seine Geschichte steht stellverstretend für jene von Millionen anderen Wirtschaftsflüchtlingen, die in Europa das gelobte Land sehen, in dem ein besseres Leben möglich scheint. Von einer wirklichen Teilhabe an der Gesellschaft sind Menschen wie Gualbert aber ausgeschlossen – sie werden zwar geschätzt als billige Arbeitskräfte, Rechte aber haben sie kaum.

Wenn auf dem Weltsozialforum in Tunis in diesen Tagen tausende Aktivisten aus aller Welt ein gerechteres Ausgestalten der globalisierten Welt fordern, dann geht es auch um Menschen wie Gualbert, dessen Leben sich in den vergangenen zwölf Jahren zum stillen Drama eines Mannes entwickelt hat, der nicht vorwärts kommt in seiner neuen Lebenswelt und sich deshalb nicht zurücktraut in die alte.

Angst, mit leeren Händen heimzukommen, das Gesicht zu verlieren

"Er hat große Sehnsucht nach seiner Familie, aber er hat noch größere Angst davor, mit leeren Händen zurückzukehren", sagt der holländische Fotograf Ben Krewinkel. "Hier verdient er zwar nicht viel Geld, aber er kann damit den Lebensunterhalt der Familie sichern, das Schulgeld für die Kinder bezahlen." Krewinkel hat Gualbert sechs Jahre lang begleitet. Entstanden ist dabei das preisnominierte Buch " A Possible Life. Conversations with Gualbert".

Für eine Reportage hatte sich Krewinkel ursprünglich auf die Suche nach harten Bildern gemacht: "Flüchtlinge in elenden Umständen", sagt Krewinkel. "Als ich dann sah, wie Gualbert lebte, entsprach das nicht dem, was ich erwartet hatte." Ein eigenes Zimmer bei einem Vermieter, der kein Ausbeuter ist. Ein Job bei der Kirche, der nicht übel bezahlt ist. "Ich dachte, der Mann hat Glück", sagt Krewinkel.

"Gualbert kennt meine Kinder inzwischen besser als seine eigenen"

Was Gualbert auszuhalten hat, wurde dem Niederländer erst nach und nach klar. "Er kennt meine Kinder inzwischen besser als seine eigenen", sagt der Fotograf - und aus seiner Stimme ist herauszuhören, wie nah ihm das Schicksal seines Protagonisten und Freundes geht. Dessen Lebenslage wird nicht leichter. Im Gegenteil: 2001 war es noch einfach für ihn, ohne Arbeitserlaubnis Jobs zu finden. Inzwischen gibt es härtere Gesetze und Strafen. Die Arbeitsmöglichkeiten sind rar geworden. "Er begreift, dass er so nie genug Geld verdienen wird, um heimkehren zu können, ohne sein Gesicht zu verlieren", sagt Krewinkel.

Gualbert ist ein Gestrandeter, ohne Aussicht auf wirkliche gesellschaftliche Teilhabe und wirtschaftlichen Erfolg. Er ist nur einer von vielen.

 

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