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Berichte

Vandana Shiva: "Die Globalisierer haben Angst vor der Demokratie"

(Interview)

(von Gerhard Dilger, FAZ)

Die indische Physikerin Vandana Shiva, Trägerin des alternativen Nobelpreises, ist eine der Gallionsfiguren der globalisierungskritischen Bewegung. Zwei Mal nahm sie am Weltwirtschaftsforum in Davos teil, 2001 und auch in diesem Jahr ist sie beim Weltsozialforum in Porto Alegre. Sie meint, dass die Vision der Bürgergruppen mächtiger sei als die der multinationalen Unternehmen. "Irgendwann werden IWF, Weltbank und WTO nicht mehr funktionieren", sagt Shiva im FAZ.NET-Interview.

Frau Shiva, was bedeutet das Weltsozialforum für die globalisierungskritische Bewegung?

Es ist eine Feier der Freiheit und des Gefühls, dass es eine große Gemeinschaft gibt. Die Leute fühlen sich nicht mehr isoliert. Wir waren in der Defensive, weil man uns in einem Atemzug mit den Terroristen genannt hat.

Was ist neu im Vergleich zum Vorjahr?

Es hat ein qualitativer Sprung stattgefunden. Im letzten Jahr ging es vor allem um Gleichheit und soziale Gerechtigkeit. Nun sind zwei zentrale Bereiche hinzugekommen: Frieden und Nachhaltigkeit. Das ist die Botschaft von Porto Alegre: Ohne Gerechtigkeit kein Frieden, und ohne Nachhaltigkeit keine Gerechtigkeit.

Soll sich die Bewegung ein gemeinsames Programm geben?

Wir wollen keine Erklärung nach Art der Welthandelsorganisation (WTO), ein hinter verschlossenen Türen ausgehandeltes Programm, das dem Rest der Welt aufgedrückt wird. In Porto Alegre fließen die Energien zusammen, da wird ein Prozess weiterentwickelt. Wir stampfen hier nichts aus dem Boden, sondern wir bauen auf etwas auf, was bereits in unseren lokalen und nationalen Zusammenhängen existiert. So sollte man Porto Alegre sehen, nicht als eine Art Masterplan für die Welt.

Aber die Erwartungen sind groß.

Wir arbeiten an sehr konkreten Vorschlägen. Ich zum Beispiel mache bei drei Gruppen mit, die Alternativen ganz klar definieren. Eine davon ist das "International Forum on Globalization". Dort fragen wir uns, nach welchen Prinzipien Wirtschaft und Gesellschaft aufgebaut sein müssen. Dann beteilige ich mich an einer Arbeitsgruppe gegen die Privatisierung des Allgemeinguts Wasser, und schließlich an einer Initiative, die die Debatte um intellektuelle Eigentumsrechte, die Patentierung genetischer Ressourcen und die Aneignung des biologischen und intellektuellen Reichtums der Drittten Welt vorantreibt.

Doch den Diskurs dominiert die Gegenseite.

Inhaltlich sind wir Bürgergruppen den Multis weit voraus. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Vision mächtiger ist. Die Globalisierer haben Angst vor der Demokratie.

Was meinen Sie zur Wiederaufnahme der Verhandlungen im Rahmen der WTO, die im November in Doha beschlossen wurde?

Die Vereinbarung von Doha ist in letzter Minute erzwungen worden und hat daher keine demokratische Legitimation. Tony Blair hat unseren Premierminister erpresst. Der Freihandel ist diskreditiert, doch der militärische Kontext wird nun dazu genutzt, um die Handelsabkommen voranzutreiben. Immerhin hat Indien erreicht, dass man bei der nächsten Ministerrunde einen "ausdrücklichen Konsens" erzielen muss.

Sie erhoffen sich also einen Zeitgewinn?

Bis zu einer endgültigen Entscheidung werden die Multis unter immer größeren Druck geraten. Auch die ökologische Agenda kann nicht einfach beerdigt werden, wie das die USA wollen. Die Menschen sorgen sich um den Klimawandel, um die Patentierung des Lebens. Irgendwann werden IWF, Weltbank und WTO nicht mehr funktionieren. Legitimität kann man nicht erzwingen.

Vandana Shiva ist eine der prominentesten Globalisierungskritikerinnen. 1993 bekam sie den alternativen Nobelpreis der "Right-Livelihood"-Stifung. Ihre Karriere als Quantenphysikerin gab sie auf, um sich für Projekte im Umweltschutz einzusetzen. In Neu-Delhi gründete sie die "Research Foundation for Science, Technology and Ecology".

 

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