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Porto Alegre, Gipfel der Euphorie

Dabei sein war alles, wie bei Olympischen Spielen. Nur dass in Porto Alegre ein Wettstreit um die besten Ideen gar nicht mehr versucht wurde

(Von Toralf Staud für zeit.de)

Porto Alegre, Gipfel der Euphorie: Wahrscheinlich ist es nirgendwo so leicht wie auf dem Weltsozialforum, von Tausenden Menschen bejubelt und beklatscht zu werden. Egal wie weitschweifig die Rede ist, wie schleppend sie vorgetragen wird, wie unschlüssig die Argumente sind - solange irgendwie die Worte "Kapitalismus", "Neoliberalismus" oder "Krieg" mit "Übel", "gestern" oder "nieder!" kombiniert werden, ist der Applaus sicher. In Porto Alegre passiert es auch, dass zwei Redner, die direkt aufeinander folgend gegensätzliche Strategien zum Umgang mit Weltbank und Internationalem Währungsfonds vertreten, von ein und demselbem Publikum frenetisch gefeiert werden. Alles egal, solange es gegen den richtigen Feind geht.

Porto Alegre 2003 war ein einziger Freundentaumel: Luiz Inacio "Lula" da Silva hat die brasilianischen Präsidentschaftswahlen gewonnen, in Ecuador ist eine Regierung unter Beteiligung von erklärten Globalisierungskritikern an die Macht gekommen, bei der Ablehnung des drohenden Irak-Krieges weiß man sich in Übereinstimmung mit den Mehrheiten der weltweiten Meinungsumfragen, und dann sind in diesem Jahr auch noch doppelt so viele Teilnehmer wie im Vorjahr zum Weltsozialforum angereist. "Eine andere Welt ist möglich" - nie schien der Slogan von Porto Alegre so wahr wie in diesem Jahr.

Doch das explosive Wachstum des Weltsozialforums (WSF) kann sich schnell als Bürde erweisen. Mit hunderttausend Teilnehmern ist längst die Grenze überschritten, bis zu der sich noch irgendwie konstruktive Debatten führen ließen. Kein Mensch kann 1700 Workshops und etliche Konferenzen, Seminare, Diskussionen überschauen - geschweige denn auswerten oder miteinander vernetzen. Die Globalisierungskritiker berauschten sich an ihrer puren Menge und der grundsätzlichen Eintracht. Fünf Tage lang wärmte man sich gegenseitig die Herzen.

Dabei sein war alles, wie bei Olympischen Spielen. Nur dass in Porto Alegre ein Wettstreit um die besten Ideen gar nicht mehr versucht wurde. Auf konkrete Forderungen kann man sich nicht mehr einigen. Das beunruhigt mittlerweile auch die Organisatoren: "Wir müssen anfangen, uns um die Qualität zu kümmern und nicht nur die Quantität", gab Roberto Savio vom "Internationalen Rat", dem höchsten Gremium des WSF, in einem Interview mit der Kongresszeitung offen zu. Er schlägt vor, künftig nur noch auf den einzelnen Kontinenten offene Sozialforen abzuhalten und in Porto Alegre nur noch ein "begrenztes Labor zum Ausarbeiten von Strategien" abzuhalten. Doch schon die Idee spaltet die Bewegung: Während die einen ankündigen, zu Hause zu bleiben, wenn nicht mehr Ordnung einziehe, sind auf der anderen Seite schon in diesem Jahr einige Gruppen nicht gekommen, weil ihnen das Forum schon zu abgehoben erschien.

Wie sehr sich das Forum verändert hat, war zum Beispiel im zweiten Stock des Parkhauses neben dem Tagungszentrum zu besichtigen. Vor einem Jahr noch drängten sich hier Infowände und Büchertische von Organisationen aus aller Herren Länder, es wuselte von früh bis spät. In diesem Jahr herrschte am selben Ort kühle Konzentration - das Pressezentrum hatte sich breit gemacht. Wachschützer regelten den Zugang. Zwei Hostessen in knallroten, engen Kleidchen verteilten Werbezettel eines Mobilfunkunternehmens. Die wichtigsten Nachrichtenagenturen der Welt AFP, AP und Reuters hatten Containerbüros aufgebaut. Ein Dutzend Radio- und Fernsehstationen sendete aus klimatisierten Studios. Für die Journalisten und die Außenwirkung des WSF war das sicher nützlich. Langfristig aber könnten die Erfolge die Bewegung in eine Identiätskrise stürzen.

 

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