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Berichte

Internationale gewerkschaftliche Demokratie

Workshop zu den „Verschwundenen von Mercedes-Benz“

(von Gaby Weber, Informationsstelle Lateinamerika - Ausgabe Nr. 263)

Im Rahmen des dritten Weltsozialgipfels in Porto Alegre berichteten ehemalige Arbeiter von Mercedes-Benz Argentinien über die Morde an ihren Kollegen während der Militärdiktatur und die Verwicklung des peronistischen argentinischen Gewerkschaftschefs José Rodríguez. Die brasilianische Metallarbeiter-Gewerkschaft CNM hatte dazu eingeladen, um ein weiteres Vorgehen gegen Rodríguez mit Gewerkschaftern aus aller Welt zu diskutieren. Und es kamen zahlreiche Aktivisten und Funktionäre. Man mußte sogar in einen größeren Raum umziehen. Seit Anfang der siebziger Jahre bekleidet José Rodríguez, seit dreißig Jahren Chef der argentinischen Automobilarbeiter-Gewerkschaft SMATA, das Amt des Vizepräsidenten des Internationalen Metallarbeiter-Bundes IMB, spanische Abkürzung Fitim. Spätestens seit November 2001 dem letzten IMB-Kongress in Sidney – ist seine Person umstritten. Nicht nur, dass er vor einem argentinischen Gericht behauptet hat, von den während der Militärdiktatur (1976-1983) 30 000 Verschwundenen bis Mitte der achtziger Jahre nie etwas erfahren zu haben, sondern die Familienangehörigen und Ex-Arbeiter von Mercedes-Benz werfen ihm vor, vor und während der Diktatur eng mit den Militärs zusammengearbeitet zu haben und an der Ermordung von 15 Betriebsräten, die in Opposition zur offiziellen Gewerkschaft SMATA standen, beteiligt gewesen zu sein. Wiederholt haben wir darüber berichtet.

Im Oktober letzten Jahren wurde in Buenos Aires Strafanzeige wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen Mercedes-Benz, Militärs und SMATA-Chef Rodríguez eingereicht, die Anzeige wurde angenommen, die Ermittlungen laufen. Neben einer Fülle von Beweisen reichte Staranwalt Ricardo Monner Sans auch das Tarifabkommen aus dem Jahr 75 ein, das festschreibt, dass Mercedes wie auch andere Autofirmen ein Prozent des Verkaufserlöses in einen Geheimfonds einzahlen, über den Rodríguez verfügte (vgl. ila262). Ziel dieser Gelder war die „Auslöschung negativer Elemente in der Fabrik“. Dies war dann bekanntlich auch geschehen.

In Sidney waren innerhalb des IMB die Vorwürfe gegen ihren Vizepräsidenten kaum bekannt, damals wurde Rodríguez wieder gewählt, vor allem weil Klaus Zwickel, IMB-Präsident, die Hand über ihn hält. Er weigert sich seit Jahren, belastende Dokumente gegen seinen Stellvertreter auch nur entgegen zu nehmen. „Kein Bedarf“, hatte er mir noch kurz vor dem Kongress in Australien mitgeteilt. Und auch IMB-Generalsekretär Marcello Malentacchi sagte mir vor einem Jahr im Rahmen des zweiten Weltsozialgipfels in Porto Alegre, dass der IMB über keine Möglichkeiten verfügt, Vorwürfe zu untersuchen und gegebenenfalls Mitglieder auszuschließen, daher habe er an Dokumenten ebenfalls keinen Bedarf. Was aber nur die halbe Wahrheit ist, denn die indonesische Gewerkschaft wurde wegen ihrer jahrelangen Kollaboration mit dem Militärregime ausgeschlossen.

Doch seitdem ist viel passiert. Schon wenige Monate  nach Sidney beantragte die österreichische Metallarbeiter-Gewerkschaft offiziell eine Untersuchung gegen José Rodríguez. Inzwischen haben sich „ ebenfalls offiziell“ die Franzosen, die Italiener und die Spanier angeschlossen. Auf der letzten Sitzung des Exekutivkomitees in San Diego forderte Fernando Lopes, der Generalsekretär der brasilianische CNM, die sofortige Suspendierung von Rodríguez. Zwickel lehnte dies kategorisch ab und entzog sogar dem französischen Vertreter, der sich zu dem Thema äußern wollten, autoritär das Wort. Die Brasilianer schluckten dies nicht. Sie luden die Ex-Arbeiter nach Porto Alegre ein. Unmittelbar vor dem Weltsozialgipfel hatte dort auch ein Treffen des IMB stattgefunden, die Mercedes-Arbeiter forderten IMB-Generalsekretär Malentacchi auf, auf dem Treffen über Rodríguez informieren zu dürfen. Dies lehnte Malentacchi ab, lud sie aber privat zu sich ins Hotel ein. Dort erzählte er ihnen, dass er ganz „auf ihrer Seite stünde“ und ebenfalls für die Menschenrechte eintrete. Solange aber Rodríguez nicht freiwillig zurücktrete, seien ihm die Hände gebunden.

Der CNM-Workshop am nächsten Tag war gut besucht. Der kanadische Metallarbeiter-Chef und die aus Südafrika angereisten Kollegen forderten ebenfalls eine Untersuchung im IMB und sprachen von einem „Skandal“. Der brasilianische IMB-Vizepräsident bezeichnete Zwickel als „Diktator“, der keine Kritik zulasse. Sie kündigten an, dass, wenn Zwickel weiter blocke und ohne Begründung vermeintliche Menschenrechtsverletzer schütze, sie dann von ihrem Amt zurücktreten. Die TeilnehmerInnen am Workshop formulierten eine entsprechende Erklärung, die dem IGM-Chef zugeschickt werden soll. Die deutschen TeilnehmerInnen am Workshop der IG Metall und des DGB zeigten sich überrascht und meinten, dass ihnen die Vorwürfe gar nicht oder zu wenig bekannt gewesen seien. Sie versprachen sich, innerhalb ihrer Organisationen für Aufklärung und für die Menschenrechte einzusetzen.

 

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