Berichte
Momentum gewinnen transnational
Das Weltsozialforum in Dakar
(von Ulrich Brand)
Weltgeschichte wird in diesen Tagen in Kairo
und anderen nordafrikanischen Städten und Ländern geschrieben. Doch das seit 2001 stattfindende Weltsozialforum,
das am vergangenen Wochenende in Dakar zu Ende ging, erweist sich als
unverzichtbarer Raum, um sich auf transnationaler Ebene auszutauschen,
Strategien zu entwickeln und Kampagnen zu lancieren. Für viele AktivistInnen
begann das WSF bereits eine Woche vorher mit einer Karawane zum Thema Migration
vom malischen Bamako nach Dakar, um über die komplexen Zusammenhänge von
Migration zu informieren, zu lernen und sich politisch zu vernetzen. Es gab weitere
Karawanen in die senegalesische Hauptstadt, mit denen die Teilnehmenden
„unterwegs“ auf ihre Anliegen aufmerksam machten und andere Verhältnisse
kennenlernten.
Das Treffen selbst begann mit einer
Auftaktdemonstration, der Montag war thematisch um afrikanische Themen herum organisiert,
dem zwei Tage mit inhaltlichen Diskussionen und Austausch und zwei Tage mit
Vernetzung und Aktionsplanung sowie der abschließenden „Versammlung der
Versammlungen“ folgten.
Dakar als
Austragungsort
Wie immer, wenn das WSF erstmals an einem Ort stattfindet,
begannen die ersten Tage mit erheblichen organisatorischen Problemen. Die
Regierung tat ihr Übriges dazu, indem der Regierungschef Abdoulaye Wade kurz
vorher den Rektor der Universität von Dakar, auf deren Campus das Forum
stattfand, auswechselte. Der Neue ordnete an, dass parallel zum WSF der Lehr-
und Prüfungsbetrieb stattfinden solle, was zu unangenehmen Konkurrenzen um
Räume führte. Durch die kurzfristige Entscheidung blieb wenig Zeit für
Alternativen. Mitunter gelang es jedoch, die Lehrveranstaltungen inhaltlich mit
WSF-Themen zu füllen, viele Veranstaltungen fanden dann in Zelten statt. Durch
die organisatorischen Probleme war es jedoch schwierig, die so dringende Kultur
des Dialogs und Lernens praktisch zu realisieren. Das
WSF hätte wahrscheinlich dann eine besonders nachhaltige Wirkung auf die
Verhältnisse in Senegal haben können, wenn die Studierenden der Universität,
die zu Tausenden auf dem Campus waren, politisch besser in den
Vorbereitungsprozesse eingebunden worden wären. Es gab zwar offensichtliches
Interesse an den vielfältigen Aktivitäten auf dem WSF, aber offenbar keine oder
eine nur schwache Eingebundenheit studentischer Organisationen.
Dass die Abneigung zwischen Präsident und
Bewegungen beiderseits besteht, zeigte eine Veranstaltung des ehemaligen
brasilianischen Präsidenten Lula mit dem aktuellen senegalesischen Amtsinhaber.
Das Publikum verließ massenhaft und fluchtartig das Gelände als Letzterer das
Wort ergriff.
Der Austragungsort des WSF spielt immer eine
Rolle. Für viele Teilnehmenden aus Europa war die Erfahrung eines angenehm
offenen und religiös toleranten islamischen Landes wichtig. Inhaltlich waren
vor zwei Jahren im brasilianischen Belem die Abholzung des Amazonas und der
Widerstand dagegen allgegenwärtig. Dieses Mal spielten die Landwirtschaft in
Afrika, der derzeit großflächige Landkauf (land-grabbing) durch internationale
Investoren und oft genug vermittelt mit lokalen Interessengruppen, die
militärische Präsenz Frankreichs und die (neo-)kolonialistische Rolle Europas
in der Region eine große Rolle. Häufig ging es um die benachteiligte Rolle von
Frauen in der Gesellschaft; allerdings waren feministische Themen weniger
diskutiert. Eine Teilnehmerin der Delegation der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die
wiederum sehr präsent war, politisch jedoch angenehm zurückhaltend agierte,
meinte am Ende treffend: „Inwiefern dieses Weltsozialforum angesichts der
Tausenden von jungen Menschen als politischer Katalysator wirkt, das kann man
ohnehin erst in ein paar Jahren sehen. Wenn nämlich demokratische Bewegungen in
Westafrika deutlich gestärkt werden.“
Ägypten
und die Funktionen des WSF
Den meisten politischen Rückenwind bekam das
WSF mit den schätzungsweise 90.000 Teilnehmenden von den Entwicklungen in
Ägypten. Die Bedeutung demokratischer sozialer Bewegungen wurde just in den
Tagen von Dakar weltöffentlich deutlich. Allerorten wurden die autokratischen
Regierungen der meisten afrikanischen Länder kritisiert. Man spürte förmlich,
trotz der tiefen Krise und Persistenz neoliberaler Politiken in vielen
Weltregionen, ein wenig historischen Rückenwind.
Das WSF ist Ausdruck der keineswegs homogenen
Bewegungen für eine andere Globalisierung. Die politischen Themen waren
umfassend: Die aktuelle Krise und neoliberale Politiken, Kriege und zunehmende
Gewalt, unterschiedliche Dimensionen der Menschenrechte, Bildung, Medien und
Kultur, Arbeit und Migration, die ökologische Krise, Ungerechtigkeiten zwischen
den Geschlechtern und Rassismus.
Austausch und Vernetzung finden vor allem in
den je spezifischen Bereichen statt, wobei immer wieder nach Querverbindungen
gesucht wird. Was für Außenstehende unübersichtlich ist, hat über die Jahre
hinweg Struktur erhalten. Diskussionen finden spezifischer etwa entlang der
Themen Finanzmarktkrise und Regulierung oder dem Zusammenhang von
wirtschaftlichem Wachstum und knappen Ressourcen statt. Insbesondere die
politische Phrasendrescherei, in der meist ältere weiße Männer dem Publikum die
Welt erklären, hat deutlich abgenommen. Diese Tatsache kann in einen breiteren
Kontext gestellt werden. Francine Mestrum formulierte im vergangenen Jahr
treffend: „Das WSF ist ein Spiegelbild der sozialen
Bewegungen, die sich daran beteiligen. In Europa haben viele dieser Bewegungen
ihre Wurzeln in dem auf den Staat bezogenen sozialistischen Gedankengebäude.
Die Finanz-und Wirtschaftskrise hat einen Rückschlag für die verschiedenen
Bewegungen erzeugt, die wieder einfach ihre orthodox-marxistische Vision
verteidigen, deren bekannte Unzulänglichkeiten vergessend und die globalen
Veränderungen und neuen politischen Akteure missachtend. Die "alte
Linke" ist immer noch einer der Rückgrate des Sozialforumsprozesses, aber
sie ist - wenn nach innen gerichtet - zugleich eine der größten Hindernisse für
die Überwindung ihrer Defizite.“ (http://www.weltsozialforum.org/strategie/news.2010.3/)
Das WSF ist weiterhin Ausdruck der schwierigen
Transnationalisierung von praktischer Kritik und Alternativen. Die vielen
lokalen Widerstände gegen die Nutzung gentechnisch veränderten Saatguts agieren
gegen globale Unternehmen wie Monsanto und ihre staatlichen Unterstützer.
Alternativen zur herrschenden und wenig effektiven Klimapolitik müssen zwar
konkret in der Energiepolitik, Stadtplanung oder anderen Produktionsformen
formuliert werden, aber sie werden durch transnationale Aufmerksamkeit und
gegenseitiges Lernen gestärkt. $1
Das Klimathema ist ein gutes Beispiel dafür,
welche Dynamik sich auf dem WSF entwickeln kann. So kamen Gruppen nach Dakar,
die gegen die repressive und ökologisch zerstörerische Ausbeutung von Erdöl etwa
im Nigerdelta oder gegen Iranabbau in Niger protestieren. Das Motto der
„Klimagerechtigkeit“ wird zum Oberbegriff einer ganz anderen Energiepolitik,
die mit einem grundlegenden Umbau der Produktions- und Lebensweise einhergehen
muss. Eine Forderung war: „Lasst die fossilen Ressourcen im Boden!“ Diese neuen
Formen der Energiekämpfe werden auch auf der nächsten Klimakonferenz im
Dezember in Durban und wohl auch in die „Rio plus 20“-Konferenz bzw. die
Parallelkongress in Brasilien im Mai 2012 eine Rolle spielen.
Alternative
Entwicklung oder Alternativen zu Entwicklung?
In Diskussionen entstand der Eindruck, dass
in (West-)Afrika noch viel stärker um „Entwicklung“ in einem klassischen
progressiven Sinne gerungen wird, nämlich als Kampf gegen Armut und Korruption,
gegen den imperialen Zugriff von außen (vor allem Europas, aber auch Chinas
oder Brasiliens) und für die Demokratisierung und Verbesserung
sozio-ökonomischer, politischer und kultureller Lebensverhältnisse. Das WSF vor
zwei Jahren in Belem brachte neben dieser auch dort präsenten Perspektive einen
anderen Ton in die Debatte, was damit zu tun hat, dass „Entwicklung“ in vielen
lateinamerikanischen Ländern derzeit im obigen Sinne ja stattfindet das
dynamische Wachstum verbessert die Lebenslage von Millionen, integriert mehr
Menschen in die formelle und informelle Lohnarbeit, erhöht staatliche
Verteilungsspielräume. Doch dies geschieht um den Preis einer enormen
ökologischen Zerstörung und um eine Schwächung von Alternativen zum imperialen
und neoliberalen Weltmarkt und zur imperialen Lebensweise in den
kapitalistischen Zentren und der Mittel- und Oberschichten in den Ländern des
Globalen Südens. Daher war in Belem und ist heute in Lateinamerika eine emanzipatorische
Perspektive sichtbar, der es um eine notwendige Umorientierung eben von
„Entwicklung“ selbst geht. Der in Belem prominente Begriff der
Zivilisationskrise war in Dakar absent.
Allerdings wird diese Debatte auch in
Lateinamerika mit Ausnahme Boliviens und Ecuadors eher am Rande geführt.
Vor zwei Jahren hatte ich nach dem WSF formuliert, dass eine der wichtigsten
Auswirkungen des WSF sein könnte, der ökologischen Raserei im Amazonas Einhalt
zu gebieten. Doch das ist nicht geschehen. Das Wasserkraftprojekt Belo Monte in
einem Seitenfluss des Amazonas, das drei Talsperren und zwei Stauseen von der
Größe des Bodensees schaffen soll, über zehn Prozent des brasilianischen
Strombedarfs decken soll und enorme sozio-ökologische Implikationen hat, ist im
Januar in die letzte Planungsphase gegangen (ursprünglich war eine vier Mal so
große Fläche geplant, doch das Projekt wurde nach massiven Protesten
verkleinert). Statt eine Politik der Energieeffizienz und des Energiesparens zu
fördern, fließen Milliarden-Investitionen in ein Projekt, das zudem sehr stark
der weltmarktorientierten Montanindustrie zugutekommt.
Im Gegensatz zum WSF in Belem vor zwei
Jahren war dieses Jahr aber weder die starke Präsenz von progressiven
Präsidenten damals traten jene von Bolivien, Brasilien, Ecuador, Paraguay und
Venezuela prominent auf -, noch die Dominanz einer Partei wie der
brasilianischen Arbeiterpartei ein Problem. Entgegen der Absprache mit dem
International Council des WSF ließen die lokalen OrganisatorInnen zwar den bolivianischen
Präsidenten Evo Morales prominent sprechen, aber das wurde nicht als
Vereinnahmungsversuch gewertet. Auch die in Belem noch präsenten Firmen wie der
brasilianische Energiemulti Petrobras hielten sich dieses Mal zurück, obwohl
der Firma immer wieder offiziell für Unterstützung gedankt wurde.
Perspektiven
des WSF: Raum oder Akteur oder
Allerdings dürfen die tagesaktuellen
Geschehnisse in Nordafrika nicht darüber hinweg täuschen, dass das WSF neben
den erfreulichen Entwicklungen in einigen Bereichen derzeit nicht in der Lage
ist, umfassende Diskussionen dahingehend zu organisieren, dass wirklich globale
Bezugspunkte entstehen. In Belem 2009 deutete sich das mit dem bereits
erwähnten Begriff der Zivilisationskrise an, doch es wurde nicht weitergeführt.
Das WSF ist auch kein Anziehungspunkt für Intellektuelle, die in spannenden und
pluralen Auseinandersetzungen auf solche Bezugspunkte hinarbeiten könnten.
Der Modus der thematisch orientierten und Strategieentwicklung und
Aktionen orientierten Versammlungen in der zweiten Hälfte des Forums in
diesem Jahr waren es um die vierzig hat sich als geeignet erwiesen, um den
Anspruch, das WSF als solches müsse handlungsfähig werden, ganz praktisch zu
unterlaufen.
Und dennoch stellt sich angesichts der multiplen Krise die Frage
gemeinsamer Bezugspunkte ganz dringend. Wie könnte beispielsweise eine umfassende
Orientierung an Gerechtigkeit und Solidarität die Spezifität der einzelnen
emanzipatorischen Kämpfe verdeutlichen und dennoch auf etwas Gemeinsames hin
orientieren? Den Neoliberalen ist es ja gelungen, mit den Begriffen Freiheit
und Effizienz ihre Interessen und eine kapitalistische Rationalität in den
meisten gesellschaftlichen Bereichen zu verankern. Die Bewegung für eine andere
Globalisierung agiert, meines Erachtens sinnvollerweise, in einzelnen
Konfliktfeldern, doch in diesen artikulieren sich ja übergreifende
Entwicklungen und es müssen gemeinsame Bezugspunkte hergestellt werden. Der
Verzicht darauf, wie bei den ersten WSF zentrale „große“ Debatten zu
organisieren, ist zum einen berechtigt, da eben dadurch die Mannigfaltigkeit
der Kämpfe anerkannt wird (und diese Debatten waren auf den ersten WSF nicht
allzu prickelnd). Sie ist aber in derzeit dynamischen Zeiten wie diesen, in
denen es durchaus um Orientierung geht, auch ein Manko.
Es gibt weiterhin eine intensive Diskussion
darüber, ob das WSF eher ein politischer Raum bleiben soll, in dem sich
unterschiedlichste Bewegungen treffen können, um in den Feldern wie
Landwirtschaft, Migration, Klimapolitik, Geschlechtergerechtigkeit,
Antirassismus oder Welthandel ihre Erfahrungen auszutauschen und Strategien zu
entwickeln.
Eine andere Position argumentiert, dass das
WSF zu einem politischen Akteur werden solle, der einheitlicher auf der
weltpolitischen Bühne auftritt und damit an Einfluss gewinnt. Bernard Cassen,
Mitbegründer von Attac-Frankreich und einer der Protagonisten der Ausrichtung
des WSF als Akteur, will mit dieser Position die angeblich durch die Vielfalt des
WSF verursachte Schwäche überwinden. Er argumentiert, dass ein „Bruch“ mit dem
aktuell vorherrschenden neoliberalen Modell eben nur mit einem WSF möglich
wäre, das stärker einen Akteursstatus annimmt. Auf den ersten Block spricht für
diese Position, dass die „Versammlung der Bewegungen“, die jeweils
gegen Ende des Forums als Zusammenkunft der radikaleren Kräfte sich trifft, ein
eher hilfloses, sich in Allgemeinplätzen verlierendes, strategisch
unbrauchbares Dokument angenommen hat.
Cassen hat Recht: In
der Tat fehlen klare Transformationsstrategien und das WSF hat erhebliche
Probleme, Handlungsfähigkeit von Bewegungen zu verbessern. Doch die Semantik
des Cassen´schen Arguments ist, dass im Raum viel geredet, aber nicht gehandelt
wird. Das stimmt, trotz allem nicht genutzten Potenzials, so nicht.
Zwei Argumente sprechen dafür, das WSF als
strukturierten und strukturierenden Raum im Lichte der Erfahrungen
weiterzuentwickeln. Zum einen wird zuvorderst in den konkreten Konfliktfeldern
agiert wie Finanzmarktregulierung, die Stärkung der Frauen-Menschenrechte,
Migration und Antirassismus oder für eine andere Energie- und Klimapolitik.
Zusammenhänge und Konvergenzen müssen analytisch wie politisch hergestellt
werden. Das kann nicht „von oben“ durch den International Council oder eine
andere Kraft laufen, denn dann besteht die Gefahr einer vereinheitlichenden
Weltsicht und der Suche nach einheitlichen Akteuren. Wenn man die Ausblendungen
der orthodoxen, oft genug eurozentrischen und links-etatistischen Strömungen eben
der Vielfältigkeit von Lebenserfahrungen und der Suche nach Alternativen sieht, wünscht man sich auch nicht unbedingt, dass diese Strategien
von den selbsternannten Vordenkern formuliert werden, die allzu schnell bei
der/ihrer radikalen politischen Partei landen.
Zweitens finden Ansatzpunkte oder gar
praktische Politiken des Bruchs mit neoliberal-imperialen oder gar kapitalistischen
Logiken, das zeigen die letzten Jahre, eben eher auf lokaler und
nationalstaatlicher Ebene (siehe Lateinamerika) oder in den spezifischen
Konfliktfeldern statt. Ich habe keine Lösung für die relative Schwäche
emanzipatorischer Politik auf globaler Ebene. Mir scheint die politische
Aufwertung des WSF zu einem Akteur eher als Ausdruck von Hilflosigkeit.
Handlungsfähigkeit, und davon war Dakar ja wiederum ein Beleg und Ägypten ließ
grüßen, stellt sich komplexer und kontingenter her.
Ausblick
Auf der Ebene transnationaler Strategieentwicklungen
könnte in den kommenden Jahren eine zunehmende Süd-Süd-Vernetzung von
Intellektuellen und AktivistInnen mit teilweise gutem Zugang zu progressiven
Regierungen wichtiger werden. In Dakar gab es ein von Samir Amin initiiertes
Treffen und in den kommenden Monaten soll ein Arbeitsprogramm formuliert
werden. Interessant wird hier in Zukunft sein, wie bei progressiven Kräften
damit umgegangen wird, dass die aktuellen politischen und ökonomischen
Süd-Süd-Kooperationen oft genug subimperial imprägniert sind. Die massiv
zugenommenen westafrikanischen Lebensmittelimporte aus Brasilien stellen für
die Landwirtschaft ebenso eine Gefahr dar wie jene aus Europa.
Das Forum steht für einen langatmigen Prozess.
Das geht mit Rückschlägen einher wie etwa die keineswegs progressive
Bearbeitung der Wirtschafts- und Finanzkrise, wodurch die globalen Probleme
eher vergrößert werden. Doch es gibt keine Alternative dazu, in aufwendigen
Such- und Lernprozessen transnationales Momentum zu gewinnen. In einigen
Bereichen scheint das zu gelingen, in anderen weniger.
In Europa bestehen nach dem desaströsen
Europäischen Sozialforum im letzten Sommer kaum Anknüpfungspunkte. Ganz im
Gegenteil offenbar zum kurz vor dem ESF stattgefundenen US-amerikanischen Sozialforum.
Viele berichteten von dem Treffen in Detroit im letzten Juni fast euphorisch,
da es gelungen sei, viele Menschen zu involvieren, eine Kultur des Zuhörens und
Austausch zu schaffen und die eine oder andere Perspektive verbindlicher
Kooperation zu entwickeln.
Das WSF in Dakar ist mit dem ESF 2010 auf
keinen Fall vergleichbar. Und dennoch hatte man bei beiden Treffen teilweise (und
wirklich nur teilweise!) den Eindruck, dass es nicht um das geht, wofür die
Sozialforumsbewegung geschaffen wurde: Emanzipatorische Politiken auf der Höhe
der Zeit und unter gar nicht gemütlichen Bedingungen zu formulieren.
Es gibt aber keine Alternative zum WSF.
Dennoch muss es sich, um ein immer wieder gebrauchtes Wort zu nutzen, mit der
Unterstützung vieler neu erfinden, damit es ein strukturierter wie
strukturierender Raum ist und von ihm Impulse ausgehen. Ob es dafür besser zum
wiederholten Male an denselben Orten stattfindet, also in gewisser Weise
zwischen drei oder vier Orten wandert, um das so dringend benötigte organisatorische
Erfahrungswissen zu akkumulieren, ist eine so offene wie wichtige Frage. Auf
jeden Fall sollte es dort stattfinden, wo es dynamische Bewegungen gibt, es
also in der Erfahrung der Bewegungen vor Ort um etwas geht und das auch
praktisch angegangen wird.
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