Berichte„Von Rechten und Linken“ (von Angela Isphording, Rosa Luxemburg Stiftung) Auch wenn das Weltsozialforum zum ersten Mal im globalen Norden stattfindet, bleiben manche Dinge doch gleich: das gedruckte Programm liegt mit seinen 110 Seiten schwer in der Tasche, erfordert in seiner Dreisprachigkeit ein intensives Studium und mit hunderten von Veranstaltungen einen fortgeschrittenen Organisationsgrad. Der oder die erfahrene WSF-Besucher_in benötigt dazu einen außerordentlichen Orientierungssinn, um den jeweiligen Veranstaltungsort zu finden, sowie einen hohen Grad an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, denn viele Veranstaltungen finden entweder gar nicht, woanders oder an einem anderen Tag statt als im Programm angegeben. So erging es den potentiellen Teilnehmer_innen der „Offensive der Rechten in Lateinamerika“ , einer Diskussionsveranstaltung mit Pablo Solón, Edgardo Lander und Pierre Mouterde. Diese wurde aus nicht bekannten Gründen durch die Veranstaltung „Aprés Bernie. Debatten und Perspektiven der amerikanischen Linken“ angeboten. Die Professorin der Universität von Minnesota und Mitglied des Black Liberation Movements, Rose M. Brewer kritisierte scharf das Fehlen der Gender und Race-Perspektive im Wahlkampf von Bernie Sanders. Zwar habe er sich nach heftiger Kritik durch die Black Community Leute ins Team geholt, die dieses Defizit aufheben sollten, doch es gelang ihm nicht, das Vertrauen der schwarzen Wähler_innen zu gewinnen. Brewer schloss ihren Vortrag mit dem Statement, dass die Linke keine Chance hat, wenn sie sich nicht deutlich gegen Rassismus und „white supremacy“ positioniert. Der Herausgeber des links-sozialistischen Magazins „Jacobin“, Bhaskar Sunkar aus New York zeigte sich optimistisch was die mittelfristige Perspektive anging: die Kampagne von Bernie Sanders habe eine neue Generation von politischen Aktivist_innen hervorgebracht, die nun in andere politische Kämpfe integriert werden müssten. Es gehe nicht darum, die Demokratische Partei zu erneuern, sondern vielmehr soziale Bewegungen zu stärken. Damit könne man zwar kurzfristig Wahlen verlieren, aber habe langfristig die Chance, eine echte linke Partei aufzubauen. Bhaskar empfahl nicht zu versuchen, Wähler_innen davon zu überzeugen, Hillary Clinton zu wählen, weil deren Politik den neuen Ideen diagonal gegenüber steht, sondern die Energie lieber darauf zu verwenden, möglichst viele Angehörige von Minderheiten als Wähler_innen zu registrieren. Beide Referent_innen waren sich einig, dass eine neue Linke nötig sei und diese nur aus den sozialen Bewegungen heraus entstehen könne. Die Menschen organisierten sich heute rund um Dinge, die sie nicht wollten, Menschen, die sie ablehnten, um konkrete Forderungen und im Kampf gegen Missstände. Deshalb müssten Bewegungen wie „Black Live matters“ der Fokus linken Engagements sein. Vielleicht wäre das ja auch das Fazit der lateinamerikanischen Analysten gewesen, denn die linken Regierungen der Region scheitern weniger an der starken Rechten, sondern eher daran, dass sie es nicht geschafft haben, eine neue politische Kultur zu etablieren und dem kapitalistischen System etwas entgegen zu setzen. Um ihre Macht zu erhalten, haben sie innerparteiliche Opposition ausgeschaltet und kritischen soziale Bewegungen den Kampf angesagt. Und so fügt sich auf dem WSF letztendlich alles wieder zusammen. Es ist weniger die Vielfalt der Themen, als der Spirit der kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen linken Praxis und der Dialog mit anderen linken Strömungen und Realitäten, die das Forum ausmachen. Das zeigt sich auch in Montréal.
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