Präsent waren beim WSF allerdings erstaunlich wenig linke Prominente aus arabischen Ländern. Zu den wenigen, die gesichtet wurden, gehörte Hamdeen Sabahi aus Ägypten. Er war bei der Präsidentenwahl 2012 überraschend auf dem dritten Platz gelandet und gilt aktuell als der wichtigste linke Politiker Ägyptens.
Gemäß der Charta des Weltsozialforums sind Parteien und Parteipolitiker allerdings offiziell nicht zugelassen, so dass Sabahi nur informell im Rahmen eines Workshops auftrat. Auch manche prominente Feministinnen aus dem arabischen Raum glänzten durch Abwesenheit.
Forum für Frauen und Genderthemen
Dennoch wurde das WSF faktisch zu einem Forum für Frauen und Genderthemen. Bei der Auftaktversammlung riefen rund 1.000 Frauen zu internationaler Solidarität auf. Besma Halfaoui, die charismatische Witwe des ermordeten linken tunesischen Oppositionspolitikers Chokri Belaid, hielt eine bewegende Rede. Sie scheint bereit, selbst in die Politik zu gehen.
"Eine
andere Welt ist möglich": Unter diesem Motto fand das Weltsozialforum
zum ersten Mal in einem arabischen Land statt. Nach Angaben der
Veranstalter nahmen mehr als 50.000 Menschen an dem fünftägigen Treffen
teil.
Frauenorganisationen führten sehr viele Veranstaltungen durch. Es ging um politische Rechte, aber auch um gleichen Lohn für gleiche Arbeit, Frauenarmut und Frauenarbeitslosigkeit. Genderbasierte Gewalt und sensible Themen wie die reproduktiven Rechte von Frauen wurden offen angesprochen, ebenso wie die Situation von Schwulen und Lesben in der arabischen Welt.
Vor dem WSF in Tunis war die interne Debatte über Entscheidungs- und Organisationsstrukturen intensiver geworden. Manche fragten, ob die globalisierungskritische Veranstaltungsreihe mehr als ein Jahrzehnt nach ihrem Start im brasilianischen Porto Alegre noch sinnvoll sei.
Tatsächlich ist nicht immer klar, ob sie noch eine politisch wirksame Aktionsform ist oder mehr eine Art "Karneval der Kulturen". Angesichts der globalen digitalen Vernetzung lässt sich darüber nachdenken, ob es nötig ist, dass Tausende gut situierte Aktive um die Welt jetten, um ein paar Tage von Workshop zu Workshop zu hetzen und Transparente in Kameras zu halten. Graswurzelarbeit wäre vielleicht wertvoller.
Diese Fragen sind nach Tunis so aktuell wie vorher. Doch eines hat sich geändert. Säkulare und globalisierungskritische Kräfte aus der arabischen Welt diskutieren jetzt auf Augenhöhe mit – und sie brauchen dafür nicht die Anwesenheit ihrer prominentesten Vertreter.